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Totenwall

Titel: Totenwall
Autoren: Boris Meyn
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Schuldverschreibungen, «sehr interessant. Aktien, Schmuck, Uhren, Gold, davon haben die Täter nichts angerührt.»
    «Siebenhundertachtundvierzigtausend Mark», meldete einer der Polizeiassistenten. «So eine Summe habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen.»
    «Ich auch nicht», sagte Andresen. «Sie werden Stillschweigen darüber bewahren», befahl er. «Kein Sterbenswörtchen, verstanden? Ich möchte nicht, dass irgendwer von der Sache erfährt. Das gilt für alle Personen hier im Raum.» Selbst Stürken nickte, auch wenn er als Vorgesetzter von Andresen keine Befehle entgegenzunehmen hatte. Es war ein zustimmendes Nicken. «Bis wir sicher sind, dass das alles ist und kein Ablenkungsmanöver.»
    Stürken nickte erneut. «Daran habe ich auch sofort gedacht.»
    «Haben Sie schon jemanden in Verdacht?», fragte Sören interessiert.
    «Meine Leute arbeiten Tag und Nacht. Wir gehen jedem Hinweis nach.»
    «Dann ist das hier ja eine richtige Überraschung», merkte Sören an. «Meinen Sie, an dem, was man mir mitgeteilt hat, ist möglicherweise etwas Wahres dran?»
    Andresen tat, als habe er die Frage nicht gehört. «Was meinen Sie, warum man die Beute gerade Ihnen zugespielt hat?»
    Sören mimte weiterhin den Ahnungslosen. «Keine Ahnung. Zufall, nehme ich an.»
    «Nun, das mag sein. So ganz glauben kann ich es allerdings nicht. Sie sind Anwalt in Strafrechtsangelegenheiten, die auch im Geschworenengericht verhandelt werden. Ich will nicht sagen, dass sich Schwerverbrecher bei Ihnen die Klinke in die Hand geben, aber ist Ihnen schon der Gedanke gekommen, dass einer Ihrer Klienten …? Sie haben einen gewissen Ruf unter Gaunern und Ganoven.»
    Sören kannte Andresen aus dem Zeugenstand, bei vielen Gerichtsverhandlungen war er ihm begegnet. Ein durchaus sympathischer Mann, intelligent, scharfsinnig und stets um Korrektheit bemüht. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen hatte er keine politisch oder sozial begründeten Voreingenommenheiten gegenüber den Angeklagten, die Sören verteidigte. Aber er verfügte über genug Berufserfahrung, um sich nicht an der Nase herumführen zu lassen. Überführt ist überführt, das war seine Devise. Und Sören konnte nicht leugnen, dass Andresen mit seiner Einschätzung häufig richtiglag. Die meisten Lügengebilde durchschaute er sofort. Sören musste auf der Hut sein. Trotz aller Sympathien, die er für den Mann hegte – er stand der Staatsanwaltschaft dennoch näher als der Verteidigung.
    «Natürlich. Das wäre naheliegend, und daran habe ich selbstverständlich auch schon gedacht», sagte Sören. «Aber wenn ich meine Klienten im Geiste so durchgehe … Da fällt mir nur der Schränker-Armin ein. Armin Brunckhorst. Aber der sitzt meiner Meinung nach noch, und ehrlich gesagt wäre der Goldmann-Coup wohl eine Nummer zu groß für ihn. Außerdem ist Raubmord nicht sein Geschäft. Der hat immer im Stillen gearbeitet, ohne Blutvergießen.»
    «Einmal ist immer das erste Mal», verkündete Andresen. «Wir gehen bislang davon aus, dass es mehrere Täter waren. Zu groß der Aufwand für einen Einzeltäter. Und sie sind punktgenau im Vorraum des Tresors gelandet. Das heißt, die Täter müssen einen Lageplan besessen haben. Vier Meter vom Schacht entfernt … oberhalb des Fundaments. Wie ein Stollen führt der Gang direkt ins Kellergeschoss. Das war von langer Hand geplant. So ein Ding gräbt man nicht in ein paar Stunden.»
    «Ich hab’s in der Zeitung gelesen. Stimmt es, dass Sie annehmen, die Täter hätten Komplizen unter den Bauarbeitern gehabt?»
    «Wir fragen uns allerdings, wie es möglich sein konnte, dass die Erdarbeiten dort unbemerkt blieben. Der Rest ist reine Spekulation der Presse. Mit unseren Ermittlungsergebnissen gehen wir nicht hausieren.»
    Einer der Polizeiassistenten reichte Andresen ein paar Karteikarten, die er vor sich ausbreitete. «Sieh an. Armin Brunckhorst – entlassen am 12. Februar. Warum haben wir keine Meldeadresse?», fragte er.
    Der Assistent zuckte mit den Schultern. «Haben wir. Steht doch da: Lange Mühren 55, dritte Etage.»
    Andresen warf dem Mann einen abfälligen Blick zu. «Überlegen Sie mal, Olpe. Das war seine Adresse, bevor er in den Bau ging. Da werden wir ihn aber kaum antreffen. Die letzten Häuser an den Langen Mühren wurden vor knapp zwei Jahren niedergelegt. Also auf die Fahndungsliste mit dem Mann.» Der Assistent drehte sich mit zackigem Gruß um und verließ den Raum.
    Die Befragung ging noch zwei Stunden weiter,
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