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Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Titel: Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed
Autoren: Colin Cotterill
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Medizinstudenten auszustechen, die darunter litten, dass ihre Professoren über den Mekong geflohen waren. Siris einzige Befürchtung war, dass sie von Verwandten der treuen Parteikader von der Liste gedrängt werden könnte.
    Sie brauchte sich nur an die Spielregeln zu halten. Siri hatte ihr beigebracht, wie man den Prüfern Sand in die Augen streute. Er hatte sein halbes Leben kommunistische Scharaden aufgeführt. Doch sein Glaube an das System war dahin, seit er hatte mit ansehen müssen, wie
Eitelkeit und Geltungsdrang eine nahezu perfekte Doktrin zugrunde richteten. Was eigentlich als Werkzeug gedacht war, wurde als Waffe missbraucht, und er war nicht besonders stolz auf seine achtundvierzigjährige Mitgliedschaft in der Partei. Dtui hatte die drei Gratisjahre in Moskau nötiger als die meisten anderen. Das großzügig bemessene Auslandsstipendium, verbunden mit der Aussicht auf eine Halbtagsstelle, waren für eine bettelarme Laotin wie sie ein wahrer Segen. Leider gingen die meisten Studienbeihilfen an Bewerber, die über die nötigen Beziehungen verfügten, und außer Siri kannte Dtui niemanden, der sich für sie hätte verwenden können. Zu ihrem Leidwesen hatte er sich strikt geweigert, sich in denselben Sumpf von Macht und Korruption hinabzerren zu lassen, der in den vergangenen Jahren die meisten seiner Genossen verschlungen hatte. Weder hatte er ein Mitglied des Politbüros um eine Gefälligkeit gebeten, noch seinen guten Draht zum Gesundheitsministerium schamlos ausgenutzt. Allerdings hatte er sich einen Sitz in dem Gremium erschlichen, das über die Stipendienanträge befand. Wenn streng nach Leistung geurteilt wurde, war Dtui ein Platz im Flugzeug nach Moskau schon so gut wie sicher, daran gab es für ihn nichts zu rütteln. Doch in der Demokratischen Volksrepublik Laos war gar nichts selbstverständlich.
    Siri sah sich in dem tristen, halbdunklen Speiseraum um, konnte jedoch nirgends ein Lebenszeichen entdecken. Die Seminarteilnehmer waren ausgezogen, sich von Landminen in die Luft jagen zu lassen, und wie es aussah, rechnete die Küche nicht mit weiteren Gästen. Inzwischen knurrten sich Dtuis und Siris leere Mägen über den Tisch hinweg wütend an. Diese furchterregenden Geräusche
waren offenbar bis zu der dicken Frau in Tarnanzug und weißer Schürze durchgedrungen, die plötzlich in der Tür erschien.
    »Was machen Sie hier?«, fragte sie.
    »Auf unser Frühstück warten«, antwortete Dtui.
    Die Frau näherte sich den Überraschungsgästen. Ihre Sandalen klatschten über die losen Bodenfliesen. »Warum sind Sie nicht mit auf dem Feld?«
    »Wir gehören zu einer anderen Reisegruppe«, erklärte Siri. »Wir haben das Drei-Tage-, Zwei-Nächte-, Rundumsorglos-Tempeltour-Paket gebucht. Alles inklusive.«
    Sie starrte ihn an, mit einem Gesichtsausdruck so leer wie die Tresorräume der Nationalbank.
    »Entschuldigung«, lenkte er ein. »Wir sind auf Einladung der Staatssicherheit hier. Wir bleiben ein paar Tage.«
    »Hm. Davon höre ich zum ersten Mal.« Sie verschränkte die Arme, als warte sie nur darauf, dass die beiden sie der Lüge bezichtigten.
    »Bitte um Verzeihung! Das ist meine Schuld«, meldete sich eine Stimme hinter dem Rücken der Frau. Sie mussten sich zurücklehnen, um ihren Besitzer sehen zu können. Es war ein hochgewachsener junger Mann mit Brille. Er trug die grüne Uniform eines Polizisten der Laotischen Revolutionären Volkspartei, ohne die üblichen Rangabzeichen oder Schulterstücke. Lächelnd umging er das voluminöse Hindernis. »Dr. Siri?«
    Siri streckte die Hand aus. »Genosse Lit?«
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen.« Die beiden Männer gaben sich die Hand. Siri und Dtui bemerkten Lits verkümmerten rechten Zeigefinger. Er schien sich zusammenzurollen wie eine durstige Pflanze.
    »I wo. Wir hatten Sie eigentlich nicht vor neun erwartet.«
    Die dicke Frau unterbrach die Begrüßungszeremonie. »So geht das aber nicht, Genosse. Sie wissen doch genau, dass mir spätestens drei Tage vor Ankunft neuer Gäste ein P8.8 vorliegen muss. Von Rechts wegen hätte die Nachtschicht sie gar nicht aufnehmen dürfen.«
    »Ganz recht, Genossin Sompet. Hier haben Sie das erforderliche Formular. Es handelte sich um eine Art Notfall. Bitte nochmals um Verzeihung.« Er reichte ihr das Dokument, und sie zog maulend von dannen.
    Genosse Lit blieb stehen. »Nun denn«, sagte er und blickte über den Tisch zu Dtui.
    »Das«, sagte Siri, »ist meine Assistentin, Schwester
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