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Totenreise

Totenreise

Titel: Totenreise
Autoren: David Lozano Garbala
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ausmachen, denn etwas … etwas schiebt sich dazwischen, lässt mich nicht richtig sehen.«
    Pascal, der den Worten der Hexe wie gebannt lauschte, bemerkte, wie sein Herz kurz aussetzte. Abgesehen von der fehlenden Antwort: Was hatte die Alte da in der Kugel gesehen?
    »Ich erkenne undeutlich … ich erkenne dunkle Wolken, die sich über uns schließen«, flüsterte Daphne, während ihre Finger über die Kugel fuhren. »Und eine weite Reise, die für einen von euch kurz bevorsteht. Eine Reise, bei der diese Michelle ebenfalls dabei sein wird, ich kann es nur nicht genauer sehen. Das ist merkwürdig …«
    Dominique in seinem Rollstuhl verspürte angesichts dieser Worte das Bedürfnis zu lächeln. Doch das ernste Gesicht seines Freundes hielt ihn davon ab. Eine Reise, die kurz bevorstand. Er hatte seine Zweifel. Die Herbstferien gingen diese Woche gerade zu Ende, und die nächsten Ferien gab es erst in ungefähr zwei Monaten. Damit war die Schwindlerin für ihn aufgeflogen. Allerdings – sie hatte Michelles Namen erraten!
    Die Wahrsagerin hob jetzt ihren Blick und sah Pascal durchdringend an.
    »Du bist derjenige, der die Reise unternehmen wird«, behauptete sie. »Zweifellos. Und wie ich schon sagte: Deine Freundin wird dich auf deinem Weg begleiten.«
    Na ja, wenn ich mit Michelle rechnen kann, ist es ja halb so schlimm, dachte Pascal. Und laut wollte er wissen: »Mit dieser Reise ist also keine … keine Beziehung zwischen uns beiden gemeint?«
    »Nein«, sagte die Wahrsagerin entschieden.
    Dominique schien sich über die Information zu freuen, was Pascal, der jetzt nervös auf seinem Stuhl hin und her rutschte und Daphne erneut fragend anblickte, etwas störte. Ob wahr oder nicht – erzählte ihm die Frau auch alles, was sie da irgendwie herausfand, oder behielt sie etwas für sich? Der Besuch bei dieser Wahrsagerin, den sie aus Jux begonnen hatten, verlief ganz anders, als sie gedacht hatten. Er würde hier nicht nur weggehen, ohne Michelles Antwort erfahren zu haben, sondern noch mit einer weiteren Unbekannten. Einer Reise.
    »Können Sie das Ziel der Reise ausmachen?«, erkundigte sich Dominique, um festzustellen, wie weit diese Daphne mit ihrer Flunkerei gehen würde. »Wenn Sie schon nicht sagen können, wie sich Michelle entscheiden wird …«
    Daphne setzte ein gezwungenes Lächeln auf.
    »Keine Kristallkugel der Welt kann das Ziel deiner Reise zeigen«, erwiderte sie ausweichend und blickte Pascal kurz an. »Du wirst dich an einen Ort begeben, der auf keiner Karte verzeichnet ist …«
    Plötzlich durchfuhr sie ein Zittern und sie verstummte. Mehr wollte sie nicht preisgeben, denn es war schrecklich, was sie gesehen hatte, und noch wusste sie auch nicht, wie sie es deuten sollte. Zu verworren waren die Bilder, noch immer ohne inneren Zusammenhang. Doch eines war klar: Schwere Prüfungen würden diesen Jungen auf seinem Weg erwarten.
    Pascal spürte deutlich, dass da etwas war, was sie verschweigen wollte. Doch irgendetwas trieb ihn, weiterzufragen. »Hat dieser abgelegene Ort«, seine Stimme klang belegt, »an den ich angeblich reisen soll … hat er trotzdem einen Namen?«
    Die Miene der Wahrsagerin versteinerte. Auch Dominique wartete gespannt, und plötzlich lief ihm ein Schauer über den Rücken. Das war nicht mehr lustig.
    Daphne griff erneut in die Rocktasche und förderte einen Stapel Tarotkarten ans Licht, fügte die anderen, die vor ihr auf dem Tisch lagen, hinzu und begann sie zu mischen. Dann verteilte sie sie verdeckt auf dem Tisch, und ihr rechter Zeigefinger schob eine davon beiseite.
    »Willst du es wirklich wissen?«, fragte sie Pascal in einem letzten Versuch, sich davor zu drücken. »Manchmal ist es besser, sich von den Ereignissen überraschen zu lassen. Man ist fast nie für das Schicksal bereit.«
    Kaum merklich nickte er, und die Wahrsagerin drehte langsam die geheimnisvolle Karte um, die sie mit ihrer Hand verdeckt hatte.
    Allen drei stockte der Atem; auf der Karte war ein Skelett abgebildet, halb in ein Tuch gehüllt, das eine Sense auf der Schulter trug. Es war der Tod.

2
    KAUM WAREN DIE Jungen aus ihrem Kellergemach verschwunden, hatte Daphne auch ihren Lehrling Edouard fortgeschickt. Sie wollte allein sein und darüber nachdenken, was sie gesehen hatte. Doch je mehr sie sich den Kopf zermarterte, desto weniger wusste sie damit anzufangen, und für diesen Tag gab sie es auf, mehr aus den Bildern der Kristallkugel herausdeuten zu wollen.
    Doch in den nächsten Tagen erhielt
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