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Totenpech

Titel: Totenpech
Autoren: Tanja Pleva
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Guten
einzusetzen.
    Sie hätte sich auch der dunklen Seite zuwenden können, der schwarzen
Magie. Nichts war leichter, als sich der schützenden Dunkelheit hinzugeben.
Doch sie hatte Menschen kennengelernt, die sich damit beschäftigten, und deren
innere und äußere Verwandlung deutlich sehen können. Es war nicht
erstrebenswert.
    Sie lag ausgestreckt auf dem Sofa und starrte auf die orangefarbene
Decke.
    Â»Lina, bist du bereit?«, fragte die Schamanin neben ihr, die sie
aufgesucht hatte, um sich einer energetischen Reinigung ihres Inneren zu
unterziehen. Die meisten wuschen jeden Tag ihren Körper, aber ihre Seelen, die
sie ebenso verschmutzten mit hässlichen Gedanken und die voller dunkler und
krank machender Energien waren, vernachlässigten neunundneunzig Prozent der Menschen.
    Sam hatte recht gehabt, sie hatte dunkle Schatten unter den Augen,
und war ständig krank. Aber war das ein Grund, sie anzuschreien?
    Â»Konzentrier dich, mach die Augen zu, und lass dich gehen. Ich werde
dich führen.«
    Lina schloss die Augen und entspannte sich. Es dauerte nicht lange,
bis sie das Gefühl hatte, dass kleine Stromstöße durch ihren Körper jagten. Ihr
Leib fing an zu beben. Plötzlich stand sie in einem dunklen Tunnel – oder war
es der Eingang zur Hölle? Es machte ihr kaum Mühe, sich in der Dunkelheit
zurechtzufinden. Der Schatten eines Mannes nahm scharfe Konturen an und wurde
zu einem klaren Bild. Er stand ihr gegenüber, war überaus attraktiv, ganz nach
Linas Geschmack. Er hielt Abstand und hob die Hand zum Gruß. In seiner Haltung
lag Respekt für sie. Sie wusste, dass es der Teufel persönlich war, und er
zeigte sich in seiner schönsten äußeren Schale, als Gentleman. Lina verspürte
keine Angst. Zwischen ihnen lagen die unausgesprochenen Worte: Komm
du mir nicht in die Quere, dann tue ich es auch nicht.
    Sie wandte sich von ihm ab, ging weiter durch den Tunnel und sah auf
einmal eine Schar von Zwergen vor sich, die wie eine Kompanie vor ihr her
marschierten. Plötzlich bekamen die Zwerge Flügel und flogen weg, flogen ins
Licht und verschmolzen zu einem großen Lichtkegel. Lina folgte ihnen, ohne zu
zögern, doch anstatt durch das Licht zu gehen, schwebte sie plötzlich, sah die
Erde, den blauen Planeten, unter sich, und um sie herum öffnete sich das
grenzenlose und geheimnisvolle Universum. Überall Planeten, so unendlich viele,
mehr, als der Menschheit bekannt waren und vielleicht jemals bekannt sein
würden. Entdecken, erkennen, wissen.
    Lina reiste weiter, neben sich sah sie ein Kamel und einen Büffel.
Ihre Begleiter. Die Symbole der Ausdauer und Kraft, die sie für ihren weiteren
Weg brauchte. Inzwischen war das Beben ihres Körpers in ein starkes Rütteln
übergegangen, sie hatte das Gefühl, dass ihre Glieder unkontrolliert zappelten.
    Schließlich stand sie in einem Saal, die Wände, an denen goldene
Masken hingen, waren so unendlich hoch, dass kein Ende zu sehen war. Ein
grauhaariger Mann trat auf sie zu, doch beim zweiten Hinsehen war sein Haar
nicht grau, sondern von silbern schimmernden Fäden durchzogen. Er sprach zu
ihr, ohne seine Lippen zu bewegen: »Hab Geduld.« Dann zeigte er auf
Gegenstände, die vor Linas Augen in der Luft schwebten. »Nimm dir, was du für
deinen Weg brauchst.«
    Lina nahm sich eine Feder, eine Glaskugel und eine Eule. Der alte
Mann lächelte und sah Lina an. In seinen Augen erblickte sie das gesamte Wissen
des Universums.
    Â»Du hast weise entschieden. Du erlangst die reine Erkenntnis, wenn
du auf deine innere Eingebung hörst und alles Irdische und Geistige mit guten
Absichten verbindest. Du bist ein Nachrichtenübermittler zwischen zwei Welten,
lass dich führen, du bist beschützt, auch wenn dein Weg dich mal in die
Unterwelt führen sollte.«
    Lina schlug die Augen auf und sah wieder die orangefarbene Decke über
sich. Es war, als wäre sie aus einem langen Dornröschenschlaf erwacht, mit der
traurigen Erkenntnis, dass ein Prinz, ihr Prinz, wohl keinen Platz mehr neben
ihr hatte, zumindest, solange er nicht ihren Weg, den sie gehen musste,
akzeptieren wollte.

8. KAPITEL
    Côte d’Azur   Sam
war wie immer leicht übel, als er aus dem Flieger stieg und französischen Boden
betrat. Er steckte sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund und nahm die
wohltuende Frische in sich auf. Es war das Einzige, was ihm half, die
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