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Totenheer (German Edition)

Totenheer (German Edition)

Titel: Totenheer (German Edition)
Autoren: Uwe Siebert
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ich, Wothar habe Tarynaar persönlich g e kannt.“
    „Hätte er ihn wirklich gekannt, so würde er anders sprechen. Das Herz dieses Sterblichen ist vergiftet.“
    Larkyen hoffte dennoch, weiteren Kentaren zu begegnen, die sich weniger mürrisch und abweisend verhielten, also zog er mit Patryous weiter nach Südwesten.
     
    Epochen trennten die beiden Unsterblichen voneinander, denn während Larkyen ein Sohn der dritten schwarzen Sonne war, lebte Patryous bereits seit der zweiten schwarzen Sonne und vermochte nicht mehr zu sagen, wie viele Jahrhunderte seitdem vergangen waren. Die Menschen, für die es wichtiger war, die Zeit zu unterteilen, hatten im Verlauf ihrer Geschichte mehrere Kalendarien erschaffen. Ihren neuesten Erkenntnissen nach, die auf den Sternenbeobachtungen der Weisesten beruhten, maß ein Jahr 365 Tage.
    Es mochte ausschließlich für die Sterblichen gelten, dass j e ne, die auf die meisten Jahre zurückblicken konnten, sich z u nehmend in Schweigen hüllten, weil sie alles gesagt hatten, was es zu sagen gab. Doch für die Unsterblichen galt dies nicht – je länger sie ein Teil der Welt waren, desto sorgfältiger w o gen sie ab, was sie sagten, desto weiser wurden sie, und umso mehr Geheimnisse um die Vergange n heit und die Zukunft, um das Leben und den Tod bewahrten sie. Und Patryous hatte La r kyen viel zu erzählen. Und er nahm ihr Wissen begierig auf. Sie ha t te diesen Teil der Welt schon viel früher, lange vor dem Krieg der Kentaren, bereist, ehe sich die Menschen überwi e gend durch eine gemeinsame Sprache verständigten. Aber noch immer kannte sie die alten primitiven Sprachen, an die inzw i schen nur noch Akzente und Dialekte erinnerten und die nur für die Ohren geschulter Sprachkundiger zu verstehen waren. Sie erzählte von wilden Barbarenstämmen, deren Namen längst vergessen waren und die sich den großen Völkern des Westens angeschlossen hatten, und sie berichtete von den Völkerwand e rungen der Vergangenheit wie denen der Kedanier. Einst waren sie von ihrem eisigen Reich in der nordischen Tundra nach Westen gekommen, um den Stamm der Kentaren zu gründen, und diese Kentaren wurden zum geheimnisumwittertsten Volk im ganzen Westen. Weder ihr Brauchtum, noch ihre Kultur oder die Geschichte nach ihrer Ansiedlung, hatten größere B e kanntheit erlangt und waren auch Patryous nicht geläufig. T a rynaar, der einstige Gott der Kentaren hingegen, hätte es wi s sen können, doch er hatte so eisern über sein Volk geschwi e gen.
    Mit dem weiteren Verlauf ihrer Gespräche wagte Larkyen es sogar, sie auf die Zeit vor ihrer Wiedergeburt anzusprechen, auch wenn er sich bisher dagegen gesträubt hatte. Denn er wusste, dass er damit an so etwas wie ein schmutziges G e heimnis erinnerte. Die Art und Weise, wie sie Larkyen darau f hin ansah, verriet ihm, dass sie selbst bereit war, diese persö n lichste aller Erinnerungen mit ihm zu teilen.
    „Nur die wenigsten Unsterblichen sprechen darüber. Doch warum sollen wir nicht mutiger sein als sie? Diese Erinnerung ist nur noch blass, und frei von Namen. Sie gleicht einem flüchtigen Gedanken, der irgendwann vielleicht ganz ausg e löscht sein wird. Doch woran ich mich noch deutlich erinnere, ist der Moment, der meine Wiede r geburt besiegeln sollte. Ich war eine der wenigen Jägerinnen meines Stammes; das Privileg der Jagd war sonst nur den Männern vorbehalten. Mehrere T a ge waren wir manchmal in der Wildnis unterwegs, mit der E r nährung des Stammes lastete große Verantwortung auf u n seren Schultern. Ich war sehr erfolgreich in der Jagd und brachte meinem Stamm stets gute Beute mit. Nahe dem großen Fluss, der heute Nefalion genannt wird, traf ich auf einen noch g e fährlicheren Jäger. Eine sandfarbene Raubkatze, einem Tiger nur zu ähnlich, groß und kräftig, doch mit langen Hauern g e formt wie die Säbel der Zh y maraner. Nur die Höhlenmalereien der wilden Menschen erinnern noch an jenes Tier. Es bewegte sich so flink und schnell, ich weiß noch, dass ich es um seiner selbst willen bewunderte. Und ich weiß noch, wie es war seine Krallen auf meiner Haut zu spüren, die immer tiefere Furchen in mein Fleisch rissen. Alles was ich noch zu sehen bekam, war ein weit aufgerissenes Maul und viele scharfe Zähne. Was dann folgte, war die tiefste Schwärze, die man sich vorstellen kann, und die nur jene kennen können, die wie wir einst wiedergeb o ren wurden. Ich war ein Wunder für meinen Stamm, denn jeder von ihnen wäre an einem solchen
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