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Totenheer (German Edition)

Totenheer (German Edition)

Titel: Totenheer (German Edition)
Autoren: Uwe Siebert
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nennt mich den Nächtlichen. Und ich biete dir eine Gelegenheit, die sich viele Menschen nicht einmal in ihren kühnsten Trä u men vorstellen können.“
    „Was soll das bedeuten?“
    „Stell dir vor, du seiest wieder ein Kind und die Welt, in der du lebst, wäre frei von all den Schranken und Mauern, die ein a l ternder König zu ertragen hat. Ein ganzes Leben läge vor dir, deine Möglichkeiten wären grenzenlos.“
    „Aber ich bin kein Kind mehr“, flüsterte der König empört. Die O f fenlegung seiner geheimsten Wünsche trieb ihn beinahe die Schamesröte ins Gesicht und erinnerte ihn einmal mehr an seine Ve r wundbarkeit im Alter. Hätte er in diesem Moment ein Schwert in den Händen gehalten und wäre er nur kräftig genug gewesen, dann hätte er den Besucher ohne weiteres erschlagen.
    „Natürlich bist du kein Kind mehr“, sagte der Besucher z y nisch, „du bist ein greiser König, in Furcht vor dem Tod. Doch es muss nicht so sein. Wünsche können in Erfüllung gehen, wenn sie nur mit größter Sehnsucht ausgesprochen werden.“
    Damit sollte ein neues Zeitalter für Ken-Tunys und den W e sten beginnen und Mendagar hatte sein Herz an die Nacht ve r loren. Er wusste dass sich in der Geborgenheit ihrer Finsternis nie gekanntes Leben regte. Und er wusste auch, dass nur die Nacht die Wünsche eines alternden Mannes erfüllen konnte.
     

Kapitel 1 – Wölfe des Westens
     
    Das Rauschen der Wellen hätte Gesang und der Wind ein Flü s tern sein können, entstammend der Vergangenheit dieses gefa l lenen Re i ches.
    Lange hatte Larkyen sich danach gesehnt, hier in Kentar, an den Ufern des grauen Meeres zu stehen.
    Die Sicht auf den Horizont war klar, und der Anblick der blutroten Sonne, deren Strahlen auf der gräulich trüben Wa s seroberfläche wie Abertausende von Diamanten glitzerten, rief in ihm ein Gefühl innerer Zufriedenheit über das Ende seiner Re i se wach.
    Götter haben keine Heimat, so erzählten sich die Sterbl i chen, doch vielleicht irrten sie sich, denn Heimat, so heißt es, ist da wo das Herz ist.
    „Woran denkst du?“
    Patryous, die schöne Unsterbliche an seiner Seite brach ihr Schweigen. Nur kurz sah Larkyen sie an, er las das Unve r ständnis in ihren Raubtieraugen über seine Bindung an dieses Land.
    „Ich denke an die Geschichte Kentars, an die Kriege der Vergange n heit, an die Schlachtfelder und die Toten.“
    „Lass die Vergangenheit ruhen. Kentar ist mit seinen Kri e gern g e storben.“
    Es ist ein Massengrab, dachte Larkyen. Er hatte dem einst i gen Schlachtfeld längst den Rücken gekehrt.
    Die Wiesen der Shyr-Ebene erstreckten sich weit bis ins I n nere Kentars. Zwischen knöchelhohen Gräsern zeichneten sich immer wieder von der Witterung gebleichte Gebeine ab. Ta u sende lagen hier mitsamt ihren verrosteten Rüstungen und Schwe r tern. Kein Banner, kein Wappen erinnerte mehr an ihre Herkunft und Zugehörigkeit im L e ben – Wenn die Sterblichen aufhörten zu atmen, waren sie alle gleich, nur Fleisch und Blut, nur Knochen, die sich mit der Zeit zu Staub verwandelten.
    „Es muss noch Kentaren geben, irgendwer hat überlebt.“
    „Seit vierzehn Tagen verharren wir nun in diesem verlass e nen Land und sind noch keinem Menschen begegnet.“
    „Der Krieg tobte vor über zwanzig Jahren, und wenngleich es auch heißt, dass keiner der Kentaren die entscheidende Schlacht auf der Shyr-Ebene überlebt hat, so berichten andere doch, dass noch eine kleine Gruppe von Kentaren im Verbo r genen existieren soll. Sie leben tief in den Wäldern, wie die Wölfe, die einst ihre schwarzen Banner zierten.“
    „Wer unter den Sterblichen würde in dieser Wildnis verwe i len wollen. Die Nächte werden wieder länger, und der Herbst geht unaufhaltsam in einen erbarmungslosen Winter über. Die Menschen tun gut daran, sich in die Siedlungen und Städte au f zumachen, wo die Mauern der Häuser dick sind und die K a minfeuer lodern.“
    „Wenn du dich da nicht täuscht, Patryous.“
     
    Der Wind war plötzlich umgeschlagen und wehte nun aus Richtung eines Waldes. Larkyen sah zu den Bäumen hinüber; der Geruch eines Menschen drang an seine Nase. Er vermochte Sterbliche, die er nur zu oft Beute nannte, über eine gewisse Entfernung hinweg zu ri e chen. Über derartige Sinne verfügten sonst nur die Tiere der Wildnis, und manchmal fühlte sich La r kyen ihnen viel verbundener als den meisten Menschen.
    Er konnte ihn bereits sehen, erkannte ihn anhand der Statur als Mann, der im Schatten
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