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Totengeld

Totengeld

Titel: Totengeld
Autoren: Kathy Reichs
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ist Skinny kein schlechter Ermittler. Ganz im Gegenteil. Aber Skinny betrachtet sich selbst als »alte Schule«. In seiner Vorstellung bedeutet das Dirty Harry Callahan, Popeye Doyle und Sergeant Friday. Ich habe Skinny Zeugen befragen sehen. Man erwartet da immer: »Nur die Fakten, Ma’am.« Aber Skinny ist keiner, dem jemals ein »Sir« oder »Ma’am« über die Lippen kommt.
    Vor einigen Jahren war Eddie Rinaldi, Slidells Partner, bei einer Schießerei auf einem Bürgersteig ums Leben gekommen. Kein Mensch hatte Slidell die Schuld dafür gegeben. Bis auf Slidell selbst. Da man im Dezernat der Meinung war, Slidell könnte ein bisschen mehr kulturelle Aufgeschlossenheit vertragen, hatte man ihm eine hispanische Lesbe namens Theresa Madrid als Partnerin zugeteilt. Zur Überraschung aller kamen die beiden gut miteinander aus.
    Erst kürzlich hatten Madrid und ihre Partnerin ein koreanisches Kleinkind adoptiert, und Madrid war in Mutterschutz gegangen. Vorübergehend arbeitete Slidell also allein. Was ihm gefiel.
    »Aber holla.« Der Trottel sagte das tatsächlich.
    »Detective –«
    »Haben Sie jemanden sauer gemacht?«
    Später kann ich vielleicht über diese Episode lachen. In diesem Augenblick sah ich nur unerfreuliche Alternativen vor mir. Mit dem Parkhaustrottel streiten. Zu einem Telefon latschen und dann auf den Automobilclub warten. Mich mit Slidell herumschlagen.
    »Woher wussten Sie, dass ich hier bin?« Cool.
    »Ich war bei Doc Larabee, als er einen Anruf erhielt.« Slidell beugte sich zur Seite und öffnete die Beifahrertür. »Steigen Sie ein.«
    Ich nahm noch eine Lunge voll frischer Luft, bevor ich mich auf den Sitz gleiten ließ.
    »Gütiger Himmel. Doc. Ich weiß nicht, ob ich in den letzten Jahren irgendjemanden in so verlottertem Zustand gesehen habe.«
    »Sie sollten mehr unter die Leute gehen.«
    »Was zum Teufel haben Sie denn –«
    »Schlamm-Catchen. Fahren Sie da rüber.« Ich deutete zu meinem Wagen.
    »Den Gegner möchte ich lieber nicht sehen.«
    »Ich werd ein Video auf YouTube hochladen.« Ungeduldig deutete ich mit dem Finger auf den SUV.
    Slidell fuhr in die Richtung.
    »Stopp!« Ich hob die Hand. »Nein, hinter diesen Geländewagen.«
    »Ich weiß, was passiert ist. Jemand hat Sie sich vorgenommen, weil Sie sein Auto aufbrechen wollten.«
    »Wenn ich ein Auto aufbrechen könnte, wäre ich nicht hier.« Ich stieg aus. Die Blasen sahen aus wie zwei rote Augen, die mir ins Gesicht starrten.
    Wenn das Armband nicht ein Geschenk von Katy gewesen wäre, hätte ich es als verloren abgeschrieben und mich aus dem Staub gemacht. Irgendwann werde ich es ihr wohl erzählen. Dann lachen wir. Vielleicht.
    Ich zwängte mich zwischen mein Auto und das blaue Monster und suchte den Beton ab. Bingo. Das Armband lag in der Mitte unter den beiden beinahe aneinanderstoßenden Außenspiegeln, genau an der am wenigsten zugänglichen Stelle.
    Ich zog den Bauch ein, drückte mich zwischen den Türgriffen nach unten und kauerte mich hin. Die Schulter so weit seitlich verdreht, wie es ging, streckte ich die Hand aus und bekam das Armband zu fassen. Dann richtete ich mich vorsichtig, um keine Alarmanlage auszulösen, wieder auf und ging auf den Taurus zu.
    Slidell beobachtete meine Darbietung kommentarlos. Anscheinend hatte ich die Grenze zwischen amüsant und bemitleidenswert überschritten.
    Ich stieg ein und knallte die Tür zu.
    »Wohin?«
    »Ins Institut des ME.« Ich befestigte mir das Kettchen wieder am Handgelenk.
    »Ich fahre aber auch gerne bei Ihnen zu Hause vorbei.«
    »Mein Hausschlüssel ist in meiner Handtasche. In meinem Auto.«
    »Schuhgeschäft?«
    »Nein, vielen Dank.« Kurz angebunden.
    »Kein Problem. Ich muss sowieso wieder dorthin zurück.«
    Ich hätte fragen können, warum. Stattdessen saß ich da, starrte zum Seitenfenster hinaus und konzentrierte mich darauf, die olfaktorischen Hinterlassenschaften von Slidells Vorliebe für Frittiertes mit zu viel Fett zu ignorieren. Von Kaffee, auf dem weiße Schimmelkolonien prangten. Von verschwitzten Turnschuhen und ölfleckigen Kappen. Von schalem Zigarettenrauch. Von Skinny selbst.
    Aber ich selbst war ja auch nicht gerade wohlriechend.
    Slidell verließ das Parkdeck, fuhr auf die East Trade und wechselte auf die linke Spur.
    Ein paar Minuten vergingen schweigend. Dann:
    »Wer hat Wuschel um die Ecke gebracht, hm?«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete.
    »Wer hat den Köter gekillt?«
    Klasse. Slidell wusste also über meine Mumienbündel
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