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Totenflut

Titel: Totenflut
Autoren: Bent Ohle
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hübsches Mädchen.
    Kurz bevor Schröder einsteigen wollte, klingelte sein Handy. Karla musste wohl noch warten. Wegener, sein Chef, zitierte ihn in sein Büro und ließ keinen Zweifel daran, dass es sofort sein musste.
    Wegener und Schröder waren mal so etwas wie Freunde gewesen. Zumindest kam es dem sehr nahe. Sie hatten damals zusammen bei der Polizei angefangen, die gleiche Karriere gemacht, und später waren sie sogar Partner geworden. Doch schon bald merkte Schröder immer mehr, wie Wegener sich nach allen Seiten biegen konnte. Er war ein Ja-Sager und Kopfnicker, einer, der anderen alles nach dem Mund redete, wenn es zu seinem Vorteil war. Auf diese Weise hatte sich Wegener, schneller als Schröder dazu jemals imstande gewesen wäre, an die Spitze der Abteilung gearbeitet. Jetzt war er sein Chef, und jedes Mal, wenn Schröder sein Büro betrat, hatte er ein komisches Gefühl im Magen. Er mochte es nicht, Bittsteller zu sein, und bei Wegener war er das, sobald er die Bürotür geöffnet hatte. Sie waren so gut wie nie einer Meinung. Und Schröder hatte für den Führungsstil seines ehemaligen Partners nicht viel übrig.
    Schröder platzte in sein Büro, ohne anzuklopfen, was Wegener hasste. Schröder wusste das.
    Â»Herein!«, sagte Wegener als Schröder schon vor seinem Schreibtisch stand.
    Schröder hatte sich vorgenommen, Ruhe zu bewahren und alles ganz nüchtern und sachlich zu erklären. Was Wegener sagen wollte, wusste er sowieso, deshalb ließ er ihn erst gar nicht das Gespräch beginnen.
    Â»Gut, dass du angerufen hast. Wir müssen reden.«
    Â»Setz dich doch, Schröder!«
    Â»Geht nicht.«
    Wegener erkannte an Schröders Haltung, dass er wieder von Rückenschmerzen geplagt war.
    Â»Herrgott, geh endlich zum Arzt! Lass dich operieren! Mach irgendwas!«
    Â»Hör mir zu, wir haben da ein verschwundenes Mädchen …«
    Â»Ich hab die Geschichte schon gehört.«, fiel Wegener ihm ins Wort.
    Â»Ich möchte, dass wir eine Soko zusammenstellen. Wir haben jetzt sechs Fälle in zwei Jahren! Zwei davon in den letzten fünf Monaten!«
    Â»Dein letztes Opfer mit eingerechnet?«
    Natürlich musste Wegener diesen Fehler jetzt ansprechen. Schröder ärgerte sich über sich selbst. Mit diesem verdammten Fehler hatte er sich seine Glaubwürdigkeit und damit die Chance auf die Zusammenstellung einer Soko zerstört. Ein kleiner Irrtum und alles war vorbei. Aber er wollte nicht aufgeben. Er wusste, wie wichtig es war, jetzt trotzdem zu kämpfen.
    Â»Ich weiß, dass ich mich geirrt habe bei ihr. Doch diesmal ist es anders …«
    Â»Natürlich ist es das, war es das letzte Mal auch. Ich hab dir vertraut, und du hast die ganze Stadt in Angst und Panik versetzt. Weißt du überhaupt, was deine Aktion gekostet hat? Mein Kopf wird hier rollen, wenn du noch mal so ’ne Scheiße baust, mein Kopf!«
    Wegener wurde rot im Gesicht, und seine Halsschlagadern schwollen bläulich an, während er mit dem Zeigefinger nachdrücklich auf seine Brust tippte. Er schloss eine Akte und legte sie beiseite, so als wolle er die Diskussion damit für beendet erklären und fügte hinzu: »Gib dem Mädchen Zeit. Wie ich höre, kommt sie aus ’nem guten Zuhause. Die ist schneller wieder da, als du denkst.«
    Â»Bernd, so viele Zufälle gibt es einfach nicht! Die Anzahl der vermissten Mädchen umgerechnet auf die Einwohnerzahl ist …«
    Â»Komm mir nicht mit deinen verdammten Statistiken!«
    Â»Das ist eine Serie! Ich bin mir ganz sicher! Diese Mädchen sind tot!«
    Wegener stand auf. Schröders Knie zitterten, er musste sich bald hinlegen. Seine Kraft ließ rapide nach.
    Â»Ich kann mich nicht auf den Instinkt eines rückenkranken Bullen verlassen, der sich mit Schmerzmitteln das halbe Gehirn aufgelöst hat! Du bist nicht mehr zurechnungsfähig! Mach Urlaub und sieh zu, dass du dein Leben in den Griff bekommst! Osnabrück hat kein Geld für Polizisten wie dich!«
    Â»Lass mich wenigstens allein an dem Fall arbeiten!«, sagte Schröder und biss sich vor Wut auf die Lippe. Wieder bettelte er wie ein kleiner Köter um einen Knochen.
    Â»Es gibt keinen Fall!«, schrie Wegener ihn an. Seine Geduld war am Ende, doch er war selbst etwas erschrocken darüber, wie laut er geworden war.
    Â»Trostmann und Keller werden die Sache weiter verfolgen.
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