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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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war nicht gerade freundlich. Es war viertel nach vier, und seine Schicht war vermutlich schon längst zu Ende. Wahrscheinlich war er ebenso ungern hier wie ich.
    »Bitte fahren Sie weiter, Madam. Sie dürfen hier nicht parken«, rief er mir zu und wedelte ungeduldig mit der Hand. Es sah aus, als wolle er eine Fliege vom Salat wegscheuchen.
    »Ich bin Dr. Brennan«, sagte ich, während ich die Autotür zuschlug. »Vom Laboratoire de Médecine Legale.«
    »Wie bitte? Sie wollen vom Leichenbeschauer kommen?« Sein Ton hätte einen Verhörspezialisten vom KGB geradezu vertrauensselig klingen lassen.
    »Ja. Ich bin die anthropologiste judiciaire«, erklärte ich langsam wie eine Lehrerin in der zweiten Klasse Volksschule. »Zuständig für Ausbettungen und Knochenbefunde. Und wenn ich mich nicht irre, dürfte es sich hier wohl um beides handeln.«
    Ich gab dem Polizisten meinen Ausweis und las an dem Namensschild über seiner Brusttasche, daß ich es mit Constable Groulx zu tun hatte.
    Der Polizist besah sich das Foto in meinem Ausweis. Dann fiel sein prüfender Blick auf mich. Ich wirkte wohl wenig vertrauenserweckend. Weil ich wußte, daß das Zusammensetzen des Schädels nicht ohne Kleckerei abgehen würde, hatte ich mir meine ältesten Klamotten angezogen: eine ausgewaschene, braune Hose und ein Jeanshemd, dessen Ärmel ich hochgekrempelt hatte. Meine nackten Füße steckten in Segelschuhen, und aus meinen hochgesteckten Haaren hatten sich im Laufe des Tages ein paar Strähnen gelöst, die jetzt unordentlich herunterhingen. Zudem war ich mit getrockneten Klebstoffresten übersät. Ich mußte aussehen wie eine gestreßte Hausfrau in mittleren Jahren, die gerade eine Pause beim Tapezieren ihrer Wohnung macht, um ihr Kind von der Schule abzuholen.
    Nachdem der Polizist meinen Ausweis lange angesehen hatte, gab er ihn mir kommentarlos zurück. Eine forensische Anthropologin hatte er sich wohl ganz anders vorgestellt.
    »Haben Sie die Knochen schon gesehen?« fragte ich.
    »Nein, ich sichere nur den Fundort.« Mit einer abgewandelten Form seiner Wedelgeste von vorhin deutete er auf die beiden Arbeiter, die ihre Unterhaltung eingestellt hatten und uns interessiert zusahen.
    »Die da haben die Knochen gefunden. Ich habe die Zentrale verständigt. Die bringen Sie hin.«
    Ich fragte mich, ob Constable Groulx wohl auch in der Lage war, kompliziertere Sätze zu bilden. Noch einmal deutete er hinüber zu den Arbeitern.
    »Ich passe auf Ihren Wagen auf.«
    Ich dankte ihm mit einem Nicken, aber er hatte sich bereits von mir abgewandt. Also ging ich hinüber zu den Arbeitern, die mich stumm ansahen. Beide Männer hatten fast identische Schnurrbärte, die sich wie umgedrehte Us über ihren Mündern nach unten bogen.
    Der Linke war schmächtig und dunkelhaarig und erinnerte mich an einen Terrier. Er war älter als sein Kollege, und seine Blicke wanderten rastlos umher wie Bienen, die eine Blüte nach der anderen anfliegen. Auch mich streiften seine Blicke nur ganz kurz und wandten sich schnell wieder ab, als könnte er sich durch längeren Augenkontakt mit einem anderen Menschen auf etwas einlassen, was er später bereuen würde. Er trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und zog alle paar Sekunden die Schultern ein.
    Sein Kollege kam mir weitaus ruhiger vor. Er war einen Kopf größer als der andere Arbeiter und hatte ein wettergegerbtes Gesicht und lange, zu einem dünnen Pferdeschwanz zusammengebundene Haare. Als ich näher kam, grinste er mich mit einem zahnlückigen Gebiß an. Irgendwie hatte ich sofort den Eindruck, daß er der Gesprächigere von beiden war.
    »Bonjour. Comment ça va?« fragte ich. »Hallo, wie geht’s?«
    »Bien«, sagten beide fast gleichzeitig und nickten. Gut.
    Ich zeigte ihnen meinen Ausweis und fragte sie, ob sie die Knochen gefunden hätten. Wieder nickten sie.
    »Wie kam es dazu?« fragte ich und zog ein kleines, spiralgebundenes Notizbuch aus meinem Rucksack. Ich klappte es auf und drückte die Mine aus meinem Kugelschreiber. Dann lächelte ich die beiden aufmunternd an.
    Der Mann mit dem Pferdeschwanz schien nur daraufgewartet zu haben, endlich sprechen zu dürfen. Die Worte strömten aus seinem Mund wie Schulkinder in den Pausenhof. Für ihn schien die Sache ein richtiges Abenteuer zu sein. Ich mußte schon genau hinhören, um sein Französisch zu verstehen, denn er ließ die Worte ineinanderfließen und verschluckte die Endungen, wie es weiter oben am St. Lawrence-Strom üblich ist.
    »Wir
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