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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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haben das Unterholz ausgelichtet. Das gehört zu unserem Job«, sagte er und deutete hinauf zu den Hochspannungsmasten. »Unter der Leitung dürfen keine Bäume wachsen.«
    Ich nickte.
    »Als ich zu der Senke da drüben kam…«, fuhr er fort und deutete auf ein Gehölz, das quer über das Grundstück lief, »… stieg mir ein komischer Geruch in die Nase.« Er hielt inne und starrte hinüber zu den Bäumen.
    »Was verstehen Sie unter komisch?«
    Er drehte sich wieder zu mir. »Naja, vielleicht nicht direkt komisch«, meinte er und biß sich auf die Unterlippe, während er seinen Wortschatz nach dem richtigen Ausdruck durchforstete. »Eher tot«, sagte er schließlich. »Wissen Sie, wie etwas Totes riecht?«
    Ich sagte nichts und wartete darauf, daß er weitersprach.
    »Kennen Sie das, wenn sich Tiere irgendwohin verkriechen, um zu sterben?« Während er das sagte, zuckte er ganz leicht mit der Schulter und blickte mich an, um von mir eine Bestätigung zu erhalten. Ich wußte genau, wovon er sprach. In meinem Job stehe ich mit dem Geruch des Todes sozusagen auf Duzfuß. Ich nickte.
    »Ich dachte, daß vielleicht irgendwo in der Senke ein toter Hund oder Waschbär herumliegt und stocherte mit dem Rechen ein bißchen im Laub herum. Auf einmal wurde der Geruch wirklich penetrant. Und dann sah ich, daß da ein paar Knochen waren.«
    Schulterzucken.
    »Verstehe«, sagte ich und verspürte ein mulmiges Gefühl in der Magengrube. Alte Gräber stinken nicht.
    »Ich rief nach Gil…«, sagte der Arbeiter und blickte hinüber zu seinem Kollegen, der aber nur auf den Boden vor seinen Fußspitzen starrte, »… und dann schaufelten wir zusammen Laub weg. Und was da zum Vorschein kam, sah nicht gerade wie ein Hund oder ein Waschbär aus.« Bei diesen Worten verschränkte der Arbeiter die Arme vor der Brust, senkte das Kinn und wippte auf seinen Fersen vor und zurück.
    »Inwiefern?«
    »Zu groß«, antwortete er und polkte mit der Zunge zwischen den Zähnen herum. Die Zungenspitze sah aus wie ein Regenwurm, der gerade aus der Erde kriecht.
    »Ist ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«
    »Wie meinen Sie das?« Der Regenwurm verschwand wieder.
    »Haben Sie vielleicht noch etwas anderes außer den Knochen gefunden?«
    »Ja. Und genau das ist ja das Merkwürdige.« Er breitete die Arme aus, um die Abmessungen des Fundes zu zeigen. »So einen großen Plastiksack, in dem das Zeug drinsteckt, und…« Er zuckte wieder mit den Schultern und verstummte, ohne den Satz zu beenden.
    »Was und?« fragte ich. Mein mulmiges Gefühl verstärkte sich.
    »Une ventouse«, sagte er rasch und klang dabei peinlich berührt und aufgeregt zugleich. Gil schien ebenso perplex zu sein wie ich, denn jetzt blickte er rasend schnell zwischen seinem Kollegen und mir hin und her.
    »Wie bitte?« fragte ich für den Fall, daß ich mich verhört haben sollte.
    »Une ventouse. So ein Gummisauger, wie man ihn verwendet, wenn das Waschbecken verstopft ist.« Er umfaßte mit seinen Händen einen unsichtbaren Stiel und bewegte sie auf und ab. Die makabre kleine Pantomime erschien mir vollkommen deplaziert und jagte mir einen Schrecken ein.
    Gil gab ein düsteres »Sacré…« von sich und starrte wieder auf den Boden vor seinen Füßen. Hier stimmte was nicht. Ich schrieb schnell noch ein paar Worte in das Notizbuch und klappte es zu.
    »Ist es feucht da unten?« fragte ich, denn ich wollte Gummistiefel und Overall nur dann anziehen, wenn es wirklich nötig war.
    »Eigentlich nicht«, sagte der Mann mit dem Pferdeschwanz und sah zu Gil hinüber, der zur Bestätigung den Kopf schüttelte, aber nicht aufsah.
    »Na schön. Dann sehen wir uns die Sache einmal genauer an.« Ich hoffte, daß ich ruhiger wirkte, als ich in Wirklichkeit war.
    Der Arbeiter mit dem Pferdeschwanz ging voraus in das Gehölz. Langsam stiegen wir in eine kleine, mit Bäumen und Gestrüpp bewachsene Senke hinab. Der Arbeiter bog die dickeren Äste für mich zurück, und ich gab sie an Gil weiter. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, daß kleinere Zweige mir die Haare noch mehr durcheinander brachten. In der Senke roch es nach feuchter Erde und verrottetem Laub. Die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach fielen, zeichneten ein Fleckenmuster auf den Boden, das aussah wie die Teile eines Puzzle-Spiels. Kleine Staubpartikel tanzten im schräg einfallenden Licht, und Insekten schwirrten mir ums Gesicht und sirrten in meinen Ohren, während irgendwelche Käfer oder Ameisen über meine nackten Knöchel
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