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Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
Autoren: Georges Flipo
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zu Hause ab und geht schlafen. Und wir, was machen wir jetzt?«, murmelte Willy.
    Bei dieser Frage bekam Viviane Gänsehaut. Nur nicht das Licht einschalten, sonst hätte der Lieutenant gesehen, wie rot sie geworden war. Sie schwieg. Er atmete sehr laut, es störte sie aber nicht mehr. Das Schweigen hielt einige Sekunden an, dann unterbrach es der Lieutenant. » Haben Sie gehört?« Er fasste sie an der Schulter, wieder quetschten sie sich vor das Fenster. Zecher-Koko ging wieder los. Bevor er das Außenlicht löschte, hatten sie erkennen können, dass er einen dicken Pullover übergezogen hatte und einen Regenmantel unterm Arm trug. Der Bärtige hatte ein Talent dafür, immer die besten Momente kaputtzumachen.
    Viviane wusste nicht mehr, was sie sagen oder tun sollte. Was erwartete Willy? Sie zitterte, als er erklärte: » Er fährt hinaus aufs Meer, um die Lieferung zu holen, die er gestern verpasst hat, weil er das Dingi nicht nehmen konnte. Wir haben alle Zeit der Welt.«
    Ja, sie hatten alle Zeit der Welt, er sagte das so schön mit seiner warmen Stimme. Viviane nahm ihn an der Hand und schleifte ihn ins Zimmer.
    » Wissen Sie, womit wir anfangen werden?«, fragte der Lieutenant sie entschlossen.
    Sie wusste es nicht, aber es würde ihr sicher gefallen. Sie antwortete nicht, warf ihm stattdessen einen vielsagenden, frivolen Blick zu.
    » Wir werden seinem Zuhause einen ausführlichen Besuch abstatten. Ich bin sicher, dass er dort ein paar Überraschungen für uns parat hat.«
    » Aber Willy«, antwortete sie tonlos, » wir sind nicht mehr befugt, in diesem Fall zu ermitteln. Die Anordnungen des Allmächtigen sind eindeutig: Wir sollen schlafen. Schlafen …«
    Er schüttelte den Kopf, wie ein störrisches Kind. Der Fall war nicht mehr ihre Sache, aber der .45-Colt, den man ihnen gestohlen hatte. Dieser Diebstahl, erklärte er, hindere ihn am Schlaf. Drei Minuten später standen sie vor Zecher-Kokos Tür. Willy holte den Generalschlüssel aus seiner Tasche und drängte sich vor sie.
    » Machen Sie kein Licht an«, befahl Viviane, » man könnte uns von draußen sehen.«
    Die kleine Taschenlampe vom Schlüsselbund gab nur schwaches Licht, aber es genügte ihnen. Der Raum war spärlich möbliert. Sie durchsuchten eine Kommode, die ausschließlich pornografische Literatur enthielt, eine Lade mit etwas Wäsche– schmutziger Wäsche vor allem, die den zweifelhaften Geruch eines ungepflegten alleinstehenden Mannes ausströmte. Willy schlug die Schranktür mit einer Grimasse zu, Viviane machte sie wieder auf und nahm einen schmutzigen Lappen oben vom Stapel.
    » Das ist der Lappen, in den der Colt eingewickelt war. Wir haben richtig vermutet, Willy. Weiter.«
    Sie fanden zwar nicht die Pistole, dafür aber den blauen Karton, in einem großen Koffer. Er enthielt viele große Scheine und kleine weiße Tütchen.
    » Das ist wahrer Reichtum«, merkte Viviane nüchtern an. » 100 Euro für ein Gramm! Die Scheine sind dagegen wie Taschengeld.«
    Willy schaute die Portionen an, dann die 100-Euro-Scheine. Sie erriet, was er dachte, wartete, dass er etwas sagte.
    » Sie wissen doch, Commissaire, dass wir nicht im Dienst sind? Den wahren Reichtum wollen wir nicht anfassen, sein Besitz wäre strafbar. Aber was ist mit dem Taschengeld? Wer würde davon erfahren? Zecher-Koko würde uns nicht anzeigen. Warum sollten wir uns zurückhalten? Sie sagten es ja selbst: Wir sind nicht die Guten, nicht mal die Netten.«
    Die kleine Taschenlampe erleuchtete nur die Scheine, Viviane war darüber erleichtert, Willy sollte sie nicht sehen. Sie zitterte vor Verlangen, vor Aufregung. Sie hatte sich selbst immer als ehrlich bezeichnet, hatte nie das geringste Geschenk angenommen, keine Einladung zum Essen, noch nie einen Strafzettel gelöscht. Und plötzlich fragte sie sich, bis wohin es vernünftig war, ehrlich zu sein.
    Ganz unbedarfter Verführer fuhr Willy fort: » Der Fall ist zu Ende, wir haben uns dafür abgemüht, aber das ist nichts gegen das, was uns nach unserer Rückkehr erwartet: kein Dankeschön, kein Bravo. Nur Anschnauzer und wahrscheinlich eine Abmahnung. Wir machen einen Job, für den es nie einen Bonus gibt. Das ist hart, oder? Vor allem angesichts von so viel Kohle.«
    Im Lager gegenüber, dem Lager der Banditen und Erpresser, scheffelte man solche großen Summen täglich. Und im Lager über ihnen? Mit seinen Langusten, Limousinen, Impedimenten? Im Lager derer, für die sie nur brave Soldaten waren, oder arme Deppen? Wie hoch
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