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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner
Autoren: dtv
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ziemlich frischer Luft und hohen Heizkosten. Selbst schuld, würde Mehmet sagen, |31| anstatt eine Möbelfirma zu bestellen, um groß anzugeben, hätten wir ein paar anständige Handwerker bestellen sollen und nicht die Schwarzarbeiter von Onkel Sükrü.
     
    »Osman, du musst Verständnis haben, zurzeit gibt’s jeden Tag irgendwo eine Razzia«, meinte Sükrü gestern im Café, »meine Männer haben alle Angst. Selbst die Albaner, die Ukrainer und die Kurden haben Schiss. Ich natürlich noch viel mehr! Wenn die mich jetzt zum dritten Mal erwischen, dann bin ich fällig.«
    »Sükrü, in dem Loch können wir nicht wohnen! Wenn du keine Schwarzarbeiter für mich hast, dann schick wenigstens einen einzigen rüber, der eine Arbeitserlaubnis hat und versichert ist.«
    »Osman, in welcher Welt lebst du eigentlich? Willst du mich auf den Arm nehmen? Wenn ich auch nur einen von meinen Jungs versichern und ihn nach Tarif bezahlen würde, dann könnte ich den Laden sofort dichtmachen.«
    »Aber Sükrü, du hast doch über fünfzig Arbeiter!«
    »Alle illegal!«
    »Schöne Scheiße!«, sagte ich ihm.
     
    »Schöne Scheiße!«, sagt Eminanim, »wir können aus dieser zerfallenen Bruchbude noch nicht mal flüchten.«
    »Doch, das wäre vielleicht sogar das Beste. Lass uns sofort ausziehen. Soll sich der neue Mieter um Adolf Gedanken machen«, ruft Mehmet.
    »Hey, was machst du denn hier?«, wundere ich mich. »Wolltest du nicht deine Schwester vor der italienischen Mafia schützen? Die türkischen großen Brüder sind auch nicht mehr das, was sie früher mal waren.«
    |32| »Wir müssen uns erst mal vor der deutschen Justiz schützen!«
    »Osman, mach dir keine Sorgen«, sagt Eminanim, »ich habe Nermin und Hatice mit Zeynep geschickt. Die Mädchen dürfen auf gar keinen Fall erfahren, dass wir jetzt diese Mordgeschichte am Hals haben. Ich will nicht, dass so kurz vor der Verlobung Zeyneps junges, unschuldiges Glück zerstört wird.«
    »Wahrscheinlich wäre es nicht schlecht für sie, wenn sie davon erfahren würde«, sagt Mehmet, »wenn sie nämlich einen Italiener heiratet, dann wird sie öfter mit Leichen zu tun haben, als ihr lieb ist.«
    »Tolle Familie habe ich. Gut, dass ihr überhaupt keine Vorurteile habt«, schimpft Eminanim.
    »Was heißt hier Vorurteile? Die italienische Mafia ist schließlich noch berühmter als die italienische Pizza. Da kann ich doch nichts dafür!«, redet sich Mehmet heraus.
    »Apropos Mafia: Osman, ich kann mich in dieser Küche nicht bewegen. Wann lässt sich denn nun endlich Sükrüs türkische Bau-Mafia hier blicken?« Plötzlich scheint Eminanim doch nichts mehr gegen die Mafia zu haben.
    »Ich hab dir doch gesagt, seine Schwarzarbeiter haben Angst.«
    »Bei Allah, jetzt auch noch die afrikanische Mafia, oder was?«
    »Nein, Illegale, Unversicherte! Diese Schwarzen kommen nicht aus Tansania, die kommen aus Moldawien.«
    »Mein Gott, gibt’s denn nichts in diesem Haus, was mit rechten Dingen zugeht? Ihr beide steckt ja bis zum Hals in kriminellen Machenschaften.«
    »Mutter, wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen |33| werfen. In wessen Tiefkühltruhe liegt denn da unten eine Leiche?«
    »Jetzt hört endlich auf mit dem Quatsch!«, schlürfe ich meinen Tee. »Lasst uns zur Sache kommen, bevor die Mädels wieder da sind. Aus meiner langjährigen Erfahrung als brillanter Krimigucker weiß ich, dass der erste Schritt bei der Aufklärung eines Kriminalfalles heißt: Ermittle, wer die Nutznießer der Tat sind.«
    »Vater, gib doch nicht so an, der Spruch ist über zweitausend Jahre alt. Das haben die alten Römer schon gesagt: ›Wenn du den Täter suchst, frage nach dem Nutznießer!‹ Ich glaube, es war Seneca.«
    »Von was für Nutznießern redet ihr? Der Mann da unten war ein ganz armer Schlucker, der hatte doch überhaupt kein Geld«, wundert sich Eminanim. »Osman, das hier ist kein Mordfall bei ›Colambo‹ oder ›Derrick‹. Bei denen sind die Toten immer steinreich oder berühmt oder beides gleichzeitig. Aber auf die Idee, dass auch arme Menschen getötet werden, kommen Fernsehautoren nie.«
    »Warum wohl?«, gibt Mehmet erneut seinen Senf dazu, »im Fernsehen interessiert es doch keinen, was mit den armen Menschen passiert. Genau wie im richtigen Leben. Es könnte zum Beispiel passieren, dass wir den Adolf jahrelang da unten verstecken – und kein Schwein sucht nach ihm.«
    »Nun gut, verehrtes Tribunal, in dem Fall formuliere ich meine Frage anders: Wer könnte Interesse
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