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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner
Autoren: dtv
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daran haben, dass dieser Junge das Zeitliche segnet und ausgerechnet in unserem Keller abkratzt?«
    »Vater, guck mich doch nicht so an! Wenn ich ihn umgebracht hätte, würde ich ihn bestimmt nicht in unserem |34| Keller verstecken. So blöd kann doch nicht mal dein Sohn sein!«
    »Mein Gott, wenn wir bei diesem Thema schon unter uns so ausflippen, was wird denn passieren, wenn uns die Polizei erst richtig in die Zange nimmt und in die Folterkammer schmeißt?«, jammert Eminanim.
    »Deshalb darf ja die Polizei davon keinen Wind bekommen! Das müssen wir schon selber erledigen. Ich weiß,wir Türken können das! Schließlich haben wir ja auch türkische Kommissare im Fernsehen.«
    »Leute, wir müssen ganz professionell an die Sache herangehen. Wir müssen systematisch jeden herauspicken, der auch nur das kleinste Interesse daran haben könnte, dass dieser Adolf jetzt in unserer Tiefkühltruhe schläft.«
    »Mein Sohn, der erste Platz in den Top Ten aller möglichen Adolf-Killer gehört unangefochten dir. Und so schnell fällt mir auch kein anderer ein, der dir diese Puulposischen streitig machen könnte.«
    »Sag mal, Mehmet, haben es denn viele Leute gehört, als du den Adolf auf der Straße bedroht hast?«
    »Nein, Mutter, höchstens ein, zwei Dutzend Leute. Und einem weiteren Dutzend habe ich es anschließend in der Kneipe selber erzählt.«
    »Toll«, sage ich, »und die haben es natürlich auch weitererzählt. Wenn rauskommt, dass Adolf tot ist, dann bist du für knapp tausend Leute der Mörder.«
    »Oder der Held!«
    »Freu dich nicht zu früh, Mehmet. Ich habe erst vor kurzem in der Zeitung gelesen, dass in den USA mehr Unschuldige als Schuldige auf dem elektrischen Stuhl landen.«
    |35| »Ja, wenn das so ist, dann such mal einen guten Anwalt
    für Mutter und dich. Wir wollen doch nicht, dass ihr unschuldig bei lebendigem Leibe geröstet werdet.«
    »Brrrr, hört auf damit, elektrischer Stuhl«, schüttelt sich Eminanim angewidert, »ich hab sogar vor elektrischen Heizdecken Angst!«
    »Eminanim, keine Sorge! Die gefährlichsten Stühle in Deutschland sind die schlecht zusammengeschraubten Stühle von Ikea.«
    »Also, meiner Ansicht nach müssen wir den Täter nicht nur hier im Haus suchen«, sagt Mehmet.
    »Mein Junge, als Kriminalist geht man an so einen Fall wie folgt ran: Erstens sucht man den Täter in der Nachbarschaft, zweitens in der Familie, drittens am Arbeitsplatz, viertens im Freundeskreis. Aber da der Junge arbeitslos war, müssen wir statt am Arbeitsplatz beim Arbeitsamt nach dem Mörder suchen.«
    »Hm, die Vermittler vom Arbeitsamt versuchen zwar mit allen möglichen Tricks ihre Arbeitslosenzahlen zu schönen, aber dass sie deswegen schon anfangen, die Arbeitslosen umzubringen, so weit sind wir, glaube ich, immer noch nicht.«
    »Abdullah-Ibrahim kommt auch in Frage«, sagt meine Frau, »schließlich hat dieser Adolf ihn aus seiner billigen Bruchbude vertrieben.«
    »Das kann nicht sein, Eminanim. Du hast doch vorhin gehört,was für ein schönes Gedicht er über mich geschrieben hat. Ein so sensibles Wesen kann niemals so einen ruchlosen Mord begehen«, verteidige ich meinen feingeistigen Kumpel.
    »Solche Jammer-Phrasen, wie der sie ablässt, haben die |36| Gastarbeiter früher doch massenweise fabriziert. Und die deutschen Verlage haben diese Plattitüden als Pseudo-Meisterwerke der Migrantenliteratur auch noch veröffentlicht«, flucht Mehmet.
    »Du hast doch keine Ahnung. Du bist schließlich hier geboren. Du hast dein Dorf in Anatolien nicht mit zwei Scheiben Brot und einer Zwiebel in der Tasche verlassen müssen. Deshalb kannst du Jungspund das überhaupt nicht beurteilen.«
    »Um diesen banalen Betroffenheitskitsch als wertloses Zeug zu erkennen, muss ich nicht in einem anatolischen Bergdorf zur Welt gekommen sein. Ich muss dafür nicht mal der Chefredakteur einer so wichtigen Zeitschrift wie ›Wahrheit, nichts als die Wahrheit‹ sein.«
    »Jetzt hört endlich auf mit diesem Unsinn«, beendet meine Frau unseren kulturellen Diskurs. »Der Mörder könnte doch auch einer von den anderen Nachbarn sein. Wer weiß, wer noch Probleme mit ihm hatte. Abdullah-Ibrahim ist sicherlich nicht der Einzige hier im Haus gewesen.«
    »Du hast Recht, Eminanim. Wo zum Beispiel sind die Leute aus dem Erdgeschoss? Die habe ich ja überhaupt noch nicht gesehen.«
    »Die sind im Urlaub, die haben ein altes Bauernhaus in der Toscana gekauft, das sie gerade renovieren.«
    »Also die Toscana ist heutzutage
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