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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner
Autoren: dtv
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mein guter alter Kumpel Abdullah-Ibrahim und kommt mit zwei Tabletts belegter Brötchen herein. »Weil ihr ja mit dem Umzug so beschäftigt seid, hab ich ein paar Brote für euch gemacht. Wo soll ich die hinstellen?«
    Noch bevor er sie irgendwo abstellen kann, werden ihm sämtliche Brötchen aus der Hand gerissen.
    »Der Einzige, auf den ich mich wirklich verlassen kann, ist mein alter Kumpel Abdullah-Ibrahim«, rufe ich, »danke, Abdullah-Ibrahim, komm her, ich muss dich abknutschen!« Er scheint aber auf meine Küsserei nicht so versessen zu sein und flüchtet sofort.
    |12| »Osman, gut, dass wir in diese Wohnung gezogen sind. Endlich mal ein ordentlich großes Wohnzimmer«, strahlt meine Frau.
    »Ja, Eminanim, so groß wie ein Fußballstadion«, schaue ich mich stolz um.
    »Toll, diese Ecke mit den vielen Steckdosen ist genau richtig für mich«, freut sich Mehmet.»Hier kommt meine Redaktion hin.«
    »Nix da«, rufe ich sofort und schmeiße ihn, noch bevor er eingezogen ist, aus den Redaktionsräumen hinaus. »Im Wohnzimmer darfst du dich nicht breitmachen. Außerdem liest deinen Quatsch sowieso kein Schwein.«
    »Das hättest du wohl gerne. Aber damit du es weißt: Hier herrscht Pressefreiheit. Schließlich leben wir in einem demokratischen Land.«
    »In diesem Haus bin ich das Gesetz«, rufe ich wie ein junger John Wäyn.
    »Schatz, ich habe mich wohl verhört?«, sagt meine Frau, »hier entscheide ich, das solltest du eigentlich inzwischen gelernt haben. Ich bin der Diktator!«
    »Diktatorin, Mutter, das heißt Diktatorin, bitte schön«, ruft meine feministische Tochter Nermin aus dem Badezimmer.
    »Wie, gibt’s so was wirklich? Oder willst du mich auf den Arm nehmen?«, fragt Eminanim.
    »Für deine Tochter gibt’s das schon«, sagt Mehmet, »für sie gibt’s keinen Stuhl, sondern eine Stühlin, und keinen Computer, sondern eine Computerin. Und hübsche Frauen darf ich auch nicht auf meine Titelseite nehmen, das ist ja frauenfeindlich – hässliche erst recht!«
    »Bääh, Onkel Abdullahs Brötchen schmecken scheiße. |13| Da ist weder Pfeffer noch Salz drauf«, meckert Hatice, schnappt sich von der Fensterbank eine Dose mit schwarzem Pfeffer und streut das scharfe Zeug mit der Hand sehr großzügig auf die gesamten Brötchen.
    »Osman, alle unsere Freunde und Bekannten werden vor Neid zerplatzen, wenn sie diese super Wohnung sehen«, freut sich Eminanim.
    »Und die neuen Nachbarn erst! Hoffentlich merken die nicht, dass wir die teuren Leihmöbel die ganze Zeit vorne rein und zur Hintertür wieder raus tragen.«
    »Osman, das war meine Idee. Du hast ja nie so geniale Einfälle.«
    »Frau, was soll das denn jetzt heißen? Und was ist mit dem tollen Außenlift und den zwei zusätzlichen LKWs mit Anhänger?«
    »Ach, ich weiß ganz genau, dass die Umzugsfirma selber dir dieses ›Angeber-Paket‹ vorgeschlagen hat.«
    »Ja, aber ich wollte es auch haben, damit die Nachbarn nicht denken, wir gehören zur Unterschicht, nur weil wir viele türkische Kinder haben.«
    »Ich glaub’s einfach nicht! Wir ziehen doch nur vom Karnickelweg 7b in den Karnickelweg 57c um. Vater, wie viel hast du denn für diesen schwachsinnigen Zirkus bezahlt?«, ruft Mehmet und schlägt seinen Kopf gegen die weiche Polsterung des neuen Sofas.
    »Pass auf, das Sofa ist doch nur für den Umzug ausgeliehen. Mach es bloß nicht kaputt. Das geht heute noch zurück.«
    »Mit der Kohle könnte ich sicher zwei Ausgaben meiner Zeitschrift ›Wahrheit, nichts als die Wahrheit‹ finanzieren.«
    |14| »Und ich hätte von dem Geld noch einen Computer kriegen können, um zwei Spiele gleichzeitig zu spielen«, meckert Hatice.
    »Und ich hätte sie endlich bekommen, meine zwei öh eh   …«, ruft Zeynep und formt vor ihrer Brust zwei Rundungen mit ihren Händen.
    »Zwei Silikon-Titten, nicht wahr? Oh Gott, gibt’s denn in diesem Haus keinen einzigen vernünftigen Menschen? Ich drehe gleich durch«, schimpft Nermin.
    Mit meinem Brötchen in der Hand gehe ich zum Fenster und beobachte das Treiben der Möbelpacker auf der Straße. Mit einem Außenlift werden ständig Möbel in die erste Etage hochgeschickt und über die Außentreppe hinten wieder in den Garten runtergetragen, um dann erneut von vorne über den Außenlift hochgefahren zu werden.
    Eminanim ist auch sehr erfreut über diesen Anblick und stößt mich mit dem Ellbogen an:
    »Osman, siehst du, wie die ganzen Nachbarn hinter ihren Gardinen stehen und unseren Hausrat voller Neid
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