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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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die Küche durch den Herd.
    Wir hatten keinen Wasseranschluss, geschweige denn eine Dusche oder eine Toilette mit Wasserspülung, nur eine Art Nachttopf. Der nächste Brunnen war mehrere hundert Meter entfernt, doch einer von uns Brüdern musste dort Wasser holen, selbst wenn es heftig regnete oder schneite. Entsprechend sparsam gingen wir mit dem Wasser um. Es wurde auf dem Holzherd heiß gemacht und in einen Zuber gegeben, in dem wir uns mit einem Schwamm oder Waschlappen wuschen – zuerst meine Mutter mit dem noch sauberen Wasser, dann mein Vater, und am Schluss waren Meinhard und ich an der Reihe. Uns machte es nichts aus, wenn das Wasser schon ein bisschen trüb war, solange uns dafür der Gang zum Brunnen erspart blieb.
    Wir hatten einfache Holzmöbel, aber immerhin elektrische Beleuchtung. Mein Vater hatte eine Vorliebe für Bilder und Antiquitäten, aber als wir Kinder waren, konnten wir uns solchen Luxus nicht leisten. Zu unserer Unterhaltung hatten wir Musik. Meine Mutter spielte Zither und sang uns Volkslieder vor, doch der eigentliche Musiker in der Familie war mein Vater. Er konnte alle möglichen Blasinstrumente spielen – Trompete, Flügelhorn, Saxophon und Klarinette. Er komponierte auch selbst und leitete die Gendarmeriekapelle. Wenn in der Steiermark ein Polizist starb, spielte die Kapelle bei seiner Beerdigung. Im Sommer gingen wir sonntags oft in den Park, wo mein Vater dirigierte oder manchmal auch selbst spielte. In seiner Familie waren fast alle musikalisch – eine Begabung, die weder Meinhard noch ich von ihm geerbt haben.
    Als Haustiere hatten wir Katzen. Ich weiß nicht, warum wir keine Hunde hatten – vielleicht, weil meine Mutter Katzen liebte und weil sie sich ihr Futter selbst beschafften und deshalb nichts kosteten. Wir hatten immer mehrere Katzen, die bei uns ein und aus gingen, ihr Schläfchen hielten, wo es ihnen gerade gefiel, oder halbtote Mäuse vom Dachboden brachten, um zu zeigen, was für großartige Jäger sie waren. Jeder in der Familie hatte seine Katze, die bei ihm im Bett schlafen durfte – das war bei uns Tradition. Einmal hatten wir sieben Katzen. Wir liebten die Katzen, wussten aber, dass wir unser Herz nicht allzu sehr an ein Tier hängen durften, denn damals ging man mit einer Katze nicht zum Tierarzt. Wenn eine Katze zu alt war oder krank und nicht mehr richtig laufen konnte, kümmerte sich mein Vater darum. Wir warteten dann, bis wir hinten aus dem Garten einen Schuss hörten – die Pistole meines Vaters. Anschließend gingen meine Mutter, Meinhard und ich nach draußen und richteten ein Grab her mit einem kleinen Kreuz darauf.
    Meine Mutter hatte eine schwarze Katze namens Muki, von der sie immer behauptete, sie sei etwas ganz Besonderes, obwohl keiner von uns hätten sagen können, warum. Eines Tages, ich war damals vielleicht zehn, stritt ich mit meiner Mutter, weil ich meine Hausaufgaben nicht machen wollte. Muki lag wie immer gemütlich auf dem Sofa. Ich muss etwas wirklich Freches gesagt haben, denn plötzlich holte meine Mutter aus und wollte mir eine Ohrfeige geben. Ich versuchte, sie abzuwehren, und traf sie dabei mit dem Unterarm. Wie ein Blitz sprang Muki vom Sofa, ging auf mich los und krallte sich in meinem Gesicht fest. Ich schrie laut auf: »Au! Was soll das?«, und zog sie von mir weg. Meine Mutter und ich sahen uns an und fingen an zu lachen, obwohl mir Blut von der Wange tropfte. Damit war eindeutig bewiesen, dass Muki etwas Besonderes war.
    Nach den Schrecken des Krieges war unseren Eltern sehr daran gelegen, dass wir in sicheren und stabilen Verhältnissen aufwuchsen. Meine Mutter war eine große, kräftig gebaute Frau, die praktisch dachte und sich stets zu helfen wusste. Sie war eine Hausfrau im traditionellen Sinn, die unser Heim makellos sauber hielt. Regelmäßig rollte sie die Teppiche zusammen und schrubbte auf Händen und Knien den Dielenboden mit Bürste und Seife, um ihn anschließend mit Lumpen trocken zu reiben. Sie achtete peinlich genau darauf, dass unsere Kleidung ordentlich im Schrank hing und dass Bettwäsche und Handtücher sorgfältig zusammengelegt waren, mit messerscharfen Kanten. Im Garten hatte sie Rüben, Kartoffeln und Beeren für uns gepflanzt, und im Herbst kochte sie Gemüse und Sauerkraut in dicken Gläsern für den Winter ein.
    Wenn mein Vater um halb eins von der Wache nach Hause kam, hatte meine Mutter das Mittagessen fertig, und das Abendessen stand pünktlich um sechs auf dem Tisch. Die Verwaltung der
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