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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
Autoren: Dario Castagno
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beide in den unmöglichsten Babyfarben gehalten: hellblau für ihn und rosarot für sie. Das Netteste und Verblüffendste aber war das kindliche Lächeln, das sich über ihre Gesichter ausbreitete – ein Lächeln, das kleine Furchen über den Augenbrauen und Grübchen in den Wangen hervorrief. Ihre Gesichtsmuskeln verrichteten harte Arbeit, damit dieser ständige Ausdruck verwunderter Begeisterung nicht verebbte.
    Wie immer begann ich die Tour mit ein paar Anekdoten und der Aufzählung einiger Namen und Daten. Die Franklins schienen begeistert und sehr interessiert zu sein; sie lachten zustimmend über meine Scherze und stellten mancherlei Fragen.
    Sobald wir durch die Porta Romana, ein imposantes Tor in der Stadtmauer, in die alte Stadt gelangt waren, schwenkten wir in das Stadtviertel des Widders ein (jede contrada von Siena hat ihr eigenes heraldisches Symbol), wo unser Ausflug beginnen sollte. Angesichts des steilen Aufstiegs vor uns erkundigten sich meine beiden Kunden entsetzt, ob man ihn irgendwie vermeiden könne. »Leider nein«, antwortete ich, worauf Mrs. Franklins ewiges Lächeln erstarb. Sie schaute mich flehend an und wollte wissen, wie viele weitere Hügel wir auf unserer Tour erklimmen müssten. »Nun ja,« meinte ich, »Siena liegt auf drei Hügeln, und um die Stadt richtig zu sehen, muss man mehrmals hinauf- und wieder hinuntergehen. Aber weil niemand uns hetzt, können wir eine Atempause einlegen, wann immer Sie wollen.« Ich war etwas besorgt wegen der unerwarteten Verstimmung meiner Kunden. Um einer nutzlosen Diskussion vorzubeugen, erinnerte ich sie daran, dass sie schriftlich eine Fußtour gebucht hätten und dass man bei Fußtouren unweigerlich zu Fuß gehen müsse. Um ihr Selbstvertrauen zu stärken, schloss ich mit der Bemerkung: »… aber Sie sind ja Sportler, nicht wahr?«
    Ehrlich gesagt, war ich doch ziemlich beunruhigt. Was mich besonders beschäftigte, war, dass wir vom Ausgangspunkt erst etwa dreihundert Meter entfernt waren und sie bereits erschöpft zu sein schienen. Sie hechelten wie junge Hunde, ließen die Köpfe hängen und hielten sich nur dadurch aufrecht, dass sie sich gegen eine Mauer lehnten, als hätten sie eben einen Marathonlauf überstanden.
    Während ich auf einen Ausweg aus dieser peinlichen Situation sann, näherte sich uns – wie ein Geschenk des Himmels – eine uralte Frau, spindeldürr, schwarz gekleidet, mit vier riesigen Einkaufstaschen in ihren kleinen, mageren Händen. Weder auf das Gewicht noch auf die Steigung achtend, begann sie mit festem, entschlossenem Schritt den Hügel zu erklimmen. Dabei hielt sie zwischen ihren zusammengekniffenen Lippen eine Zigarette, an der sie kräftig zog, den Qualm ein- und ausatmend, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen. Sie kam so rasch auf uns zu, dass sogar ein Teenager sie um ihre Energie beneidet hätte, und als sie an uns vorbeiging, grüßte sie mit einem kurzen, aber bedeutungsvollen Nicken. Die Franklins erstarrten, stumm und verblüfft ob der körperlichen Kräfte dieser alten, klapperigen Frau, die jetzt nur noch ein schwarzer Punkt oben an der Straße war. Ohne weitere Diskussionen setzten wir unseren Fußmarsch fort.
    Unser Weg führte uns zur Kirche Santa Maria dei Servi, wo wir einen atemberaubenden Blick auf die Altstadt genossen; danach stiegen wir in das Viertel der Muschel hinunter, wo die Franklins gemeinsam eine der beiden Diät-Colas tranken. Beim Gang durch das Viertel des Einhorns in Richtung Turm tranken sie die zweite Flasche, unmittelbar bevor wir die in einem engen Gässchen versteckte Synagoge besuchten.
    Wir hatten nun die unsterbliche Piazza del Campo erreicht, Mittelpunkt der Stadt und allgemeiner Ort der Begegnung. Hier setzten wir uns an einen Tisch vor einem der Cafés rund um den Platz und bestellten etwas zu trinken. Ich wählte ein Bier, die Franklins natürlich eine Diät-Cola. Abgesehen von ihren Trinkbedürfnissen, war die Tour bisher ganz gut verlaufen, ohne Schwierigkeiten oder Verzögerungen. Dank dem Vorbild der alten Frau liefen die Franklins die hügeligen Straßen hinauf und hinunter wie junge Bergziegen, und auf ihren Gesichtern erstrahlte unbeirrt das schönste Kinderlächeln. Wir setzten unsere Entdeckungsreise durch die contrada des Waldes und die des Adlers fort, besuchten dann den Dom (die Kathedrale von Siena), wo sie von ihren Anstrengungen so durstig geworden waren, dass wir anhalten und weitere Diät-Cola kaufen mussten, die sie im Gehen tranken. Ohne eine
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