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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht
Autoren: Oliver G Wachlin
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nichts«, knurrt Beylich und verschränkt trotzig die Arme, »jetzt haben wir den Salat.«
    »Und was für welchen«, trumpfe ich auf, »Rucola, Chicorée, Endivie … War doch früher alles Mangelware hier!«
    Bevor Beylich meinen Spott verdauen kann, fliegt die Tür auf. Hünerbein schiebt seinen barocken Körper in den Raum und macht gewichtige Miene.
    »Helmholtzplatz: Da ist heute Nacht ein von Autonomen besetztes Haus abgebrannt. Verdacht auf Brandstiftung.« Er knallt schnaufend einen Aktenordner auf den Tisch und sieht bedeutungsvoll in die Runde. »In der Ruine wurde ein Toter gefunden. Spurensicherung ist schon vor Ort.«
    »Das klingt nach Arbeit.« Ich sehe meine Schüler an und erhebe mich. »Tatortbesichtigung!«
    Beylich sieht verblüfft hoch: »Was denn? – Alle?!«
    »Sicher«, nicke ich, »so kommen wir mal an die frische Luft, Beylich.«
    »Für Sie immer noch Kriminalrat, Herr Knoop. Die Ermittlungen leite ich.«
    »Das versteht sich von selbst.« Ich klopfe ihm beruhigend auf die Schulter. »Ich nehme an, Sie haben heimlich Westfernsehen geguckt und wissen, dass bei uns immer Harry den Wagen vorfährt. Mit unseren vierzehn Mann hier brauchen wir allerdings einen Bus. Können Sie uns so einen besorgen? Sie dürfen auch fahren.«
    »Irgendwann, Knoop«, Beylich sieht wirklich finster aus, »irgendwann kommt es auch wieder anders in dieser wendereichen Zeit. Und dann …«
    »… dann fahr ich den Bus, versprochen.« Ich schiebe Beylich hinaus wie ein trotziges Kind und wende mich Hünerbein zu. »Ist die Leiche schon identifiziert?«
    »Soweit ich weiß, nicht.« Hünerbein sieht Beylich nachdenklich nach. »Macht er Probleme?«
    »Halb so wild«, winke ich ab, »alles nur gekränkte Eitelkeit. Aber wenn er so weitermacht, darf er bald den Verkehr regeln.«
    »Wir können auf fähige Beamte wie ihn nicht verzichten«, knurrt Hünerbein, »nur weil die Anpassungsfähigkeit zu wünschen übrig lässt.« Er schlägt die Aktenmappe auf. »Hier! Sieh dir das mal an.« Er drückt mir eine handgeschriebene Liste in die Hand.
    »Was ist das?«
    »Personen, die zu den Hausbesetzern am Helmholtzplatz gehören«, antwortet Hünerbein, »die Liste ist von den Brandermittlern erstellt worden und bezieht sich auf Angaben aus der Szene.« Er tippt auf einen Namen und sieht mich fragend an. »Die Frage ist: Wie kommt deine Tochter auf die Liste?«
    Melanie? Ich starre verblüfft auf das Papier. Da steht wirklich ihr Name: Melanie Droyßig, dahinter ein X. »Was bedeutet das?«
    »Das Kreuzchen hinter dem Namen?« Hünerbein schnauft. »Vermisst.«
    Ich starre ihn an: »Vermisst? Wie vermisst? Melanie wird doch nicht vermisst!«
    »Wann hast du sie denn zuletzt gesehen?«
    »Gestern. Wir haben Abendbrot gegessen.«
    »Und dann?«
    Ich überlege. »Im Fernsehen lief noch so eine Show mit Blacky Fuchsberger. Danach bin ich schlafen gegangen.«
    »Und Melanie?« Hünerbein sieht mich eindringlich an. »Ist sie auch schlafen gegangen? War sie heute Morgen beim Frühstück?«
    »Nee, die steht später auf. Die Schule beginnt erst um Viertel nach acht.«
    »Und?«
    »Was und?«
    »Ist sie in der Schule?«
    »Davon gehe ich aus.« Tatsächlich wissen tue ich es allerdings nicht.
    »Sardsch …« Er nennt mich immer Sardsch, weil mein Vater Sergeant der US -Army war. Wenn es aber so klingt wie jetzt, »Sa-hardsch«, mit langem »a« und mahnendem Unterton, dann … »Sahardsch, du musst zugeben, du weißt verdammt wenig von deiner Tochter.«
    »Herrgott, Harry, das Mädchen ist sechzehn. Die kannste nicht mehr vierundzwanzig Stunden am Tag kontrollieren.«
    »Also wird sie wirklich vermisst«, stellt Hünerbein fest, »denn du kannst nicht mit Sicherheit sagen, ob deine kleine Hausbesetzerin in der Nacht zu Hause war.«
    »Melanie ist keine Hausbesetzerin!« Ich rege mich auf. »Und sie war zu Hause!«
    »Sie hat mit dir zu Abend gegessen«, präzisiert Hünerbein. »Dann habt ihr Blacky Fuchsberger geguckt, und du bist schlafen gegangen. Ob sie ebenfalls brav ins Bett ging oder stattdessen Bambule im Osten gespielt hat, steht in den Sternen. Gefrühstückt hast du jedenfalls nicht mit ihr. Alles klar?«
    »Nee«, antworte ich. »Was willst du mir sagen?«
    »Dass Melanie mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Brandnacht in dem besetzten Haus war«, antwortet Hünerbein ruhig, »und dass sie seitdem vermisst wird.«
    »Hast du sie noch alle?« Plötzlich wird mir ganz kalt. Melanie vermisst? In einem Haus, das vergangene
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