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Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes

Titel: Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes
Autoren: Mark Billingham
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Straße. Hab mir eine bescheuerte Zeit ausgesucht, was? Bei dem, was im Augenblick alles so abgeht.«
    Der Junge starrte ihn eine Weile an, bis er schließlich die Augen zusammenkniff und den Kopf nach unten fallen ließ.
    Er blieb stehen, wo er war, und schlug mit der Kappe eines Schuhs gegen die Ferse des anderen, bis er sich sicher war, dass der Junge nichts mehr sagen würde. Kurz überlegte er, ob er noch eine Bemerkung über das Wetter machen und die Sache sozusagen zum Witz erklären sollte. Stattdessen wandte er sich zur Straße. »Viel Glück«, verabschiedete er sich, ohne eine Antwort zu erhalten.
    Während er weiter nach Norden lief, ging ihm durch den Kopf, dass die Begegnung mit dem Jungen auch nicht viel angenehmer verlaufen war als die vorhin mit dem Typen in dem grünen Anzug, der ihn so schnell wie möglich aus dem Weg haben wollte. Die Reaktion des Jungen entsprach mehr oder weniger dem, was er in der kurzen Zeit auf der Straße zu erwarten gelernt hatte. Und warum? Die meisten Londoner reagierten vorsichtig – vielleicht sogar misstrauisch, egal, wie sie dran waren. Und natürlich waren die Penner unter ihnen insgesamt noch ein Stück vorsichtiger. War ja klar, dass sie jedem, der sie nicht anmachte oder ihnen auswich, argwöhnisch begegneten, bis sie wussten, woran sie waren. Entweder oder …
    Wie im Gefängnis. So wurde das Leben hinter Gittern definiert. Und damit kannte er sich aus.
    Die Leute, die im Zentrum von London Platte machten, hatten viel gemein mit denen, die in den weiß gestrichenen Zellen als Gäste Ihrer Majestät schliefen. Hier wie dort gab es eigene Regeln, eigene Hierarchien und ein nachvollziehbares Misstrauen gegenüber Außenseitern. Wer im Gefängnis überleben wollte, musste sich anpassen und tun, was nötig war. Natürlich war niemand scharf drauf, Scheiße zu fressen. Aber wenn es nicht anders ging, dann musste man eben ran an die Schüssel. Nach den Erfahrungen, die er gemacht hatte, lief es auf der Straße nicht viel anders.
    Das Café war schmuddlig, aber der Typ im Laden meinte offenbar, ein paar billige Sandwichsorten in Plastikbehältern würden einen Feinkostladen daraus machen. Es war vorhersehbar, wie man dort auf ihn reagieren würde, wenn er in das Café schlurfte und sich setzte, ohne etwas zu bestellen.
    »He!«
    Er antwortete nicht darauf.
    »Wollen Sie was bestellen?«
    Er schnappte sich vom Nebentisch eine Zeitschrift und begann zu lesen.
    »Das hier ist kein Obdachlosenheim, kapiert?«
    Er grinste.
    »Sie glauben wohl, ich mach Witze …?«
    Statt zu antworten, nickte er einer vertrauten Gestalt vor dem Fenster zu, worauf der dicke, rotgesichtige Besitzer hinter seiner Theke hervorkam. Gleichzeitig trat die Gestalt von draußen durch die Tür. Perfektes Timing, denn der Cafébesitzer baute sich gerade bedrohlich vor ihm auf.
    »Ist in Ordnung, er gehört zu mir.«
    Der Gesichtsausdruck des Ladenbesitzers änderte sich schlagartig, als er sich von dem Penner abwandte und sein Blick auf einen Ausweis der Metropolitan Police fiel.
    Detective Sergeant Dave Holland rückte sich, nachdem er seinen Ausweis gezeigt hatte, einen Stuhl zurecht. »Zwei Tassen Tee bitte«, sagte er.
    Der Mann am Tisch korrigierte ihn. »Zwei große Tassen Tee.«
    Der Besitzer schlurfte zurück hinter die Theke und brachte es dabei irgendwie fertig, sich gleichzeitig zu räuspern und zu seufzen.
    »Mein Held«, sagte der Penner.
    Holland stellte seine Aktentasche auf den Boden und setzte sich. Er ließ den Blick schweifen. Es waren noch zwei Gäste im Lokal, eine schick gekleidete Frau und ein Postbeamter mittleren Alters in Uniform. Der Besitzer warf ihm von seinem Platz hinter seiner Theke aus einen finsteren Blick zu, während er sich zwei Tassen aus dem Regal griff.
    »Der hat ausgesehen, als wirft er Sie gleich raus. Am liebsten hätte ich draußen gewartet und zugesehen, was passiert.«
    »Da hätten Sie gesehen, wie ich der fetten Sau eine verpasse.«
    »Worauf ich Sie hätte festnehmen müssen.«
    »Eine interessante Vorstellung …«
    Holland zuckte mit den Schultern und wischte sich eine dunkelblonde Strähne aus der Stirn. »Paddy Hayes ist gestern Nacht um halb zwölf gestorben.«
    »Wie geht’s dem Sohn?«
    »Der war davor schon ziemlich durch den Wind. Hat mit der Entscheidung gerungen, aber als er sie dann gefällt hatte und sie die Maschinen abstellten, hat er ruhiger gewirkt.«
    »Wahrscheinlich hat er nur so gewirkt.«
    »Wahrscheinlich …«
    »Wann fährt er
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