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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
Autoren: Patricia Highsmith
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›Vogue‹ und ›Harper´s Bazaar‹, diese dicken Kitschschalen aus Rauchglas in jeder Ecke, gefüllt mit Bindfadenknäueln und Bleistiften und Zigarettenstummeln und faulendem Obst! Bob war freischaffender Künstler, er dekorierte Schaufenster von Warenhäusern und Geschäften; im Augenblick allerdings machte er nichts als hier und da eine Gelegenheitsarbeit für ein paar Antiquitätenläden in der Dritten Avenue. Irgend so ein Antiquar hatte ihm als Gegenleistung für irgend etwas die Rauchglasschalen gegeben. Zuerst war Tom entsetzt gewesen über die schmutzige Primitivität dieser Umgebung - entsetzt, daß ein Mensch, den er kannte, so leben konnte. Aber er hatte gewußt, daß er selbst nicht sehr lange hier leben würde. Und nun war Mr. Greenleaf aufgetaucht. Irgend etwas tauchte immer auf. Das war Toms Philosophie.
    Kurz bevor er die steinernen Stufen zum Eingang emporstieg, hielt Tom inne und sah sich sorgfältig nach allen Seiten um: nichts als eine alte Frau, die ihren Hund an die Luft führte, und ein Greis, der um die Ecke der Dritten Avenue bog und mit sich selber redete. Wenn es ein Gefühl gab, das Tom verhaßt war, dann war es das Gefühl, verfolgt zu werden - von wem auch immer. Und dieses Gefühl hatte er in letzter Zeit ständig. Er rannte die Treppe hoch.
    Was macht mir jetzt der Dreck noch aus, dachte er, als er das Zimmer betrat. Sobald sein Paß bewilligt war, ging es ab nach Europa. Höchstwahrscheinlich in einer Kabine erster Klasse. Stewards, die gelaufen kamen, wenn er auf den Knopf drückte! Umkleiden zum Abendessen; man schlendert in den großen Speisesaal, plaudert mit den Leuten am Tisch, ein Gentleman! Zum heutigen Abend kann ich mir gratulieren, dachte Tom. Er hatte sich genau richtig verhalten. Unmöglich könnte Mr. Greenleaf das Gefühl gehabt haben, daß Tom nach der Einladung zur Europareise geangelt hätte. Ganz im Gegenteil. Er ließ Mr. Greenleaf nicht im Stich. Er wird bei Dickie sein Bestes tun. Mr. Greenleaf war so ein anständiger Mensch, ganz selbstverständlich setzte er voraus, daß auch jeder andere auf dieser Welt anständig war. Tom hatte fast vergessen, daß es solche Leute gab.
    Langsam zog er seine Jacke aus und löste die Krawatte. Er beobachtete jede seiner Bewegungen genau, es war, als beobachte er einen Fremden. Erstaunlich, wie viel aufrechter er jetzt ging, wie der Ausdruck seines Gesichts sich verändert hatte. Tom erlebte einen der seltenen Augenblicke seines Lebens, in denen er restlos mit sich zufrieden war.
    Er schob eine Hand in Bobs vollgepfropften Kleiderschrank und stieß angriffslustig die Bügel nach rechts und links, um seinem Anzug Platz zu schaffen. Dann ging er ins Badezimmer. Die verrostete alte Brause schleuderte einen Wasserstrahl gegen den Badevorhang und einen zweiten in einer launischen Spirale in eine andere Richtung. Kaum gelang es Tom, sich naßzumachen. Aber es war immer noch besser, als sich in die schmutzverkrustete Badewanne zu setzen.
    Als Tom am nächsten Morgen aufwachte, war Bob nicht da, und ein Blick auf das Bett sagte ihm, daß er auch gar nicht dagewesen war. Tom sprang aus dem Bett, ging zu dem zweiflammigen Kocher und setzte Kaffeewasser auf. Auch gut, wenn Bob heute früh nicht hier war. Tom hatte keine große Lust, ihm etwas von der Europareise zu sagen. Der dumme Hund würde doch nichts weiter darin sehen als eine kostenlose Vergnügungstour. Ed Martin wahrscheinlich auch, und Bert Visser und all die anderen Wichte, die er kannte. Niemandem wollte er ein Wort erzählen, und niemand sollte am Schiff sein, wenn er abfuhr. Tom begann zu pfeifen. Er war für heute abend bei den Greenleafs in der Park Avenue zum Essen eingeladen.
    Eine Viertelstunde später spazierte Tom, geduscht, rasiert, in Anzug und Schlips, mit einer Tasse schwarzen Kaffees im Zimmer auf und ab. Er hatte sich eine gestreifte Krawatte herausgesucht, die eigentlich gut wirken müßte auf dem Paßbild. Er wartete auf die erste Post. Nach der Post wollte er in die Stadt gehen und sich um die Paßbildsache kümmern. Was sollte er dann nachmittags unternehmen? In irgendeine Kunstausstellung gehen, damit er heute abend mit den Greenleafs darüber plaudern konnte? Ein paar Erkundigungen einziehen über die Burke-Greenleaf-Schiffs-AG, damit Mr. Greenleaf sah, daß Tom Anteil an seiner Arbeit nahm?
    Schwach drang der Plumps, mit dem die Post in den Briefkasten fiel, durch das offene Fenster herein. Tom ging hinunter. Er wartete, bis der Postbote außer Sicht
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