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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
Autoren: Patricia Highsmith
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war; dann nahm er sich den Umschlag, den der Briefträger hinter die Briefkastenkante geklemmt hatte und der an George McAlpin adressiert war. Er schlitzte ihn auf. Heraus kam ein Scheck über einhundertneunzehn Dollar und vierundfünfzig Cents, zahlbar an den Kassierer des Finanzamtes. Gute alte Mrs. Superaugh! Zahlte, ohne mit der Wimper zu zucken. Nicht einmal ein Telephongespräch war nötig. Ein gutes Omen. Er ging wieder nach oben, zerriß den Umschlag von Mrs. Superaugh und warf die Schnitzel in den Mülleimer.
    Den Scheck steckte er in einen großen Briefumschlag in der Innentasche eines seiner Jacketts, die im Schrank hingen. Damit erhöhte sich sein Gesamtvermögen in Schecks auf eintausendachthundertdreiundsechzig Dollar und vierzehn Cents. Er rechnete es im Kopf aus. Schade, daß er sie nicht zu Geld machen konnte. Daß doch einer von den Dusseln einmal bar bezahlt oder seinen Scheck auf George McAlpin ausgestellt hätte - aber das war bisher noch keinem eingefallen. Tom besaß einen Ausweis als Kassenbote, er hatte ihn irgendwo einmal gefunden. Es war ein sehr alter Ausweis. Man könnte ja versuchen, das Datum zu ändern. Aber Tom füchtete, daß er es nicht fertigbrächte, die Schecks zu kassieren - nicht einmal mit einer gefälschten Vollmacht über den entsprechenden Betrag. Es war also im Grunde genommen nichts weiter als ein Schabernack. Ein netter, sauberer Sport. Er stahl niemandem einen Pfennig. Ehe ich nach Europa gehe, werde ich die Schecks vernichten, dachte er.
    Sieben Kandidaten hatte er noch auf seiner Liste. Ob er es nicht doch noch einmal versuchen sollte, ein einziges Mal noch in diesen letzten zehn Tagen, ehe er verschwand? Als er gestern abend nach dem Gespräch mit Mr. Greenleaf heimwärts trabte, hatte er daran gedacht, es aufzustecken, wenn Mrs. Superaugh und Carlos de Sevilla anstandslos zahlten. Mr. de Sevilla hatte bis jetzt noch nicht gezahlt - er hatte wohl noch einen hübschen kleinen Schreck per Telephon nötig, der ihn Himmel und Hölle fürchten ließ. Aber mit Mrs. Superaugh war es so leicht gewesen, daß Tom versucht war, es doch noch einmal zu wagen.
    Er ging an den Schrank und entnahm seinem Koffer eine malvenfarbene Schreibmappe. In der Mappe lagen einige Bogen Schreibpapier und darunter ein Stapel der verschiedensten Formulare, die er sich aus dem Finanzamt mitgebracht hatte, als er dort Lagerist gewesen war vor ein paar Wochen. Ganz unten befand sich seine Kandidatenliste - sorgfältig ausgewählte Leute, die in Bronx oder Brooklyn wohnten und wohl kaum ein besonderes Bedürfnis verspürten, persönlich beim New Yorker Finanzamt zu erscheinen: Künstler, Schriftsteller, freiberuflich Tätige, die keine Abzüge hatten und die so zwischen siebentausend und zwölftausend im Jahr verdienten. In dieser Größenordnung, kalkulierte Tom, nahmen sich die Leute selten einen berufsmäßigen Steuerberater; andererseits aber verdienten sie so viel, daß man sie durchaus bezichtigen konnte, ihre Steuern falsch berechnet, sich um zwei- oder dreihundert Dollar geirrt zu haben. Hier waren sie: William J. Slatterer, Journalist; Philip Robillard, Musiker; Frieda Hoehn, Graphikerin; Joseph J. Gennari, Photograph; Frederick Reddington, Künstler; Frances Karnegis . . . Dieser Reddington hatte es Tom angetan. Er machte Comic -Hefte. Wahrscheinlich wußte er nicht, was hinten und was vorne war.
    Tom wählte zwei Formulare: ›Mitteilung über eine Fehlberechnung‹. Er steckte einen Kohlebogen dazwischen und übertrug behende die Angaben, die auf seiner Liste unter dem Namen Reddington standen: Einkommen: 11 250 Dollar. Freibeträge: 1 Dollar. Abzüge: 600 Dollar. Gutschriften: keine. Rückzahlung: keine. Zinsen: (er zögerte einen Moment) - 2,16 Dollar. Bleibt zu zahlen: 233,76 Dollar. Dann nahm er einen Kopfbogen des Finanzamtes in der Lexington-Avenue - er bewahrte einen Vorrat davon in seiner Blaupapiermappe auf -, strich mit einer schrägen Bewegung seines Federhalters die vorgedruckte Adresse aus und tippte darunter:
    Sehr geehrter Herr,
wegen einer vorübergehenden Überlastung unserer offiziellen Büros in der Lexington Avenue bitten wir Sie, Ihre Antwort zu richten an die
    Rechnungsabteilung
zu Händen von George McAlpin
187 E. 51 Street
New York 22, N. Y.
    Mit bestem Dank
Ralph E. Fischer, Gen.-Dir., Rechn.-Abt.
    Tom unterzeichnete mit einem krausen, unleserlichen Namenszug. Die restlichen Formulare steckte er weg für den Fall, daß Bob plötzlich hereinkam, und nahm den Hörer
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