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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
Autoren: Patricia Highsmith
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zeigte, was immer es auch war, aber er brachte es nicht mehr fertig.
    »Ich möchte gern, daß Sie die Werft noch besichtigen, selbstverständlich«, sagte Mr. Greenleaf fröhlich. »Wann können Sie mal hinauskommen? Nur während Ihrer Mittagszeit vermutlich. Ich meine, Sie müssen Richard auch etwas darüber sagen können, wie es jetzt auf der Werft so aussieht.«
    »Ja - in der Mittagszeit kann ich.«
    »Rufen Sie mich nur an in den nächsten Tagen, Tom. Sie haben ja meine Karte mit der Privatnummer. Wenn Sie mir eine halbe Stunde vorher Bescheid geben, dann schicke ich Ihnen jemanden, der Sie vom Büro abholt und ´rausfährt. Wir können dann ein Sandwich essen, während wir den Rundgang machen, und anschließend fährt er Sie zurück.«
    »Ich rufe Sie an«, sagte Tom. Ihm war, als müßte er in Ohnmacht fallen, wenn er auch nur eine Minute länger im trüben Licht der Diele stehen bliebe, aber Mr. Greenleaf fing wieder an, glucksend zu lachen, und fragte ihn, ob er ein bestimmtes Buch von Henry James gelesen habe.
    »Leider nein, Mr. Greenleaf, dieses nicht«, sagte Tom.
    »Na, schadet ja nichts.« Mr. Greenleaf lächelte.
    Dann schüttelten sie sich die Hände, ein langer, erstickender Händedruck von Mr. Greenleaf, und es war überstanden. Noch als Tom mit dem Fahrstuhl abwärts fuhr, haftete der gequälte, geängstigte Ausdruck auf seinem Gesicht. Erschöpft lehnte er in einer Ecke des Fahrstuhls, aber er wußte genau, sobald er den Hausflur erreicht hätte, würde er laufen, laufen - den ganzen Weg bis nach Hause.

4
    Die Atmosphäre der Stadt wurde fremder, je mehr die Tage dahingingen. Es war, als hätte irgend etwas sich aus New York davongemacht - die Wirklichkeit oder ihre Wichtigkeit - und die Stadt inszenierte ein Schauspiel ganz allein für ihn, eine gigantische Schau mit ihren Autobussen, Taxis und hastenden Menschen auf den Bürgersteigen, mit ihren Fernsehdarbietungen in allen Bars der Dritten Avenue, ihren taghell erleuchteten Kinos und ihrer Geräuschkulisse aus Tausenden von Autohupen und menschlichen Stimmen, die ohne Sinn und Zweck daherredeten. Es war, als müßte die ganze Stadt New York, puff! - wie ein Kartenhaus zusammenfallen, sobald sein Schiff am Sonnabend vom Kai ablegte.
    Vielleicht hatte er auch nur Angst. Er haßte das Wasser. Noch nie war er auf dem Wasser irgendwo hingefahren, nur von New York nach New Orleans und wieder zurück nach New York, da hatte er aber auf einem Frachter gearbeitet, meistens unter Deck, und hatte kaum bemerkt, daß er sich auf dem Wasser befand. Und wenn er schon einmal, selten genug, auf Deck gewesen war, hatte ihn der Anblick des Wassers zunächst erschreckt, dann war ihm schlecht geworden, und immer war er schnell wieder unter Deck gelaufen, wo ihm jedesmal besser wurde, wenn man auch allgemein das Gegenteil behauptet. Seine Eltern waren im Hafen von Boston ertrunken, und schon immer hatte Tom vermutet, daß es wohl damit etwas zu tun haben müßte, denn soweit seine Erinnerung reichte, hatte er stets Angst vor dem Wasser gehabt, und er konnte auch nicht schwimmen. Ein Gefühl der Übelkeit und Leere regte sich in seiner Magengrube, wenn er daran dachte, daß er in weniger als einer Woche Wasser unter den Füßen haben würde, kilometertiefes Wasser, und daß er unweigerlich würde daraufgucken müssen, weil man eben auf Ozeandampfern den größten Teil seiner Zeit auf Deck zubrachte. Und es war ganz besonders unfein, seekrank zu werden, das war ihm klar. Er war noch nie seekrank gewesen, aber in diesen letzten Tagen war er mehrmals nahe daran, es zu werden - allein von der Vorstellung dieser Seefahrt nach Cherbourg.
    Er hatte Bob Delancey gesagt, daß er in einer Woche auszog, aber nicht, wohin. Bob schien das sowieso nicht zu interessieren. Sie sahen sehr wenig voneinander dort in der Einundfünfzigsten Straße. Tom war auch zu Marc Priminger in die Vierundfünfzigste Straße Ost gegangen - die Schlüssel hatte er noch -, um sich ein paar Sachen zu holen, die er dort vergessen hatte. Er war um eine Zeit hingegangen, zu der Marc voraussichtlich nicht zu Hause war, aber Marc war gekommen mit seinem neuen Hausgenossen Joel, einem dürren Etwas von einem jungen Manne, der bei einem Verlag arbeitete, und Marc hatte eine seiner süßen »Bitte-fühlen-Sie-sich-ganz-wie-zu-Hause«-Platten abgespielt, wegen Joel natürlich, denn wäre Joel nicht dabeigewesen, dann hätte Marc ihn heruntergeputzt in einer Sprache, die selbst ein portugiesischer Matrose
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