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Tolstois Albtraum - Roman

Tolstois Albtraum - Roman

Titel: Tolstois Albtraum - Roman
Autoren: Viktor Pelewin
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was vor diesem … ananda kommt, weiß ich nicht mehr. Ich glaube, man kann ihn einfach Swami nennen, das bedeutet so viel wie ›Hochwürden‹ … Vor allem kann man sich das leicht merken, Swami hört sich an wie ›s’ warm hier‹.«
    »Vielen Dank, Swami«, sagte er, nahm den Anhänger von der Brust und hielt ihn dem Inder hin. »Aber ich bin wahrscheinlich zu alt für derlei Experimente.«
    Der Übersetzer brauchte irgendwie sehr lange, um diesen einfachen Satz zu übersetzen, und der Inder betrachtete unterdessen den Anhänger sehr genau und legte ihn sich selbst um den Hals, über seine Gebetskette. Seine Miene zeigte eine leichte Besorgnis.
    »Gar kein Resultat?«, fragte er.
    Tolstoi strich über seinen Bart und überlegte, was er sagen sollte.
    »Doch«, antwortete er dann. »Es gab ein Resultat, zweifellos. Ich hatte wohl noch nie einen so verrückten, so langen und vor allem so lebensechten Traum. Und das lässt sich kaum durch natürliche Ursachen erklären, außer vielleicht dadurch, dass meine Sensibilität für übernatürliche Ereignisse nach unserem Gespräch erhöht war. Obwohl ich skeptisch war. Ich weiß nicht einmal … Aber ich kann nur schwer glauben, dass ich die Zukunft gesehen haben soll. Es war ein merkwürdiges Durcheinander, einiges war mir bekannt, anderes schien mir vollkommen absurd.«
    »Könnten Sie das etwas genauer beschreiben?«, fragte der Inder.
    Tolstoi goss sich Milch in seinen Tee und nahm einen Schluck. Dann hob er die Augen und blickte seinen Sekretär Tschertkow an.
    »Schreiben Sie dieses Gespräch nicht mit, mein Lieber«, sagte er verlegen. »Weiß der Teufel, was das soll.«
    Tschertkow lächelte kaum merklich. Tolstoi wandte sich an den Inder und setzte sich so, dass er sowohl ihn als auch den Übersetzer im Blick hatte.
    »Schön«, sagte er. »Ich erzähle es Ihnen. Ich habe geträumt, ich sei der Held eines Buches. Ich wurde gleichzeitig von mehreren Leuten erfunden, allesamt ziemliche Schurken. Und der Text, den sie schrieben, wurde meine Welt und mein Leben. Diese Welt war allerdings von mir bekannten Personen bevölkert. Einige von ihnen sitzen sogar hier am Tisch …«
    Tolstoi wandte sich an den Spezialisten für den Phonographen:
    »Sie zum Beispiel, Herr Knopf, waren in meinem Traum ein skrupelloser Mörder, der mit dem Revolver auf mich geschossen hat.«
    Knopf erbleichte, richtete seine farblosen Augen auf Tolstoi und presste die Hand an die Brust, als versuchte er, dort eine Taste zu finden, auf die er drücken könnte, um sich für immer auszuschalten.
    »Vermutlich hast du auch von mir irgendetwas Grässliches geträumt«, sagte Sofja Andrejewna 88 fröhlich. »Nicht wahr, Ljowa?«
    Tolstoi schüttelte den Kopf.
    »Du kamst überhaupt nicht vor«, erwiderte er. »Aber deine Freundin Tarakanowa. Sie hat mich mit einem ganz speziell zubereiteten Hecht bewirtet. Der Zigeuner Mladitsch kam auch vor.«
    Sofja Andrejewna nickte.
    »Lojko Mladitsch«, erklärte sie den anderen. »Er war Theaterdiener im Zigeunerchor, Ljowa kannte ihn gut. Ein Hüne von Mann, er singt wundervoll zur Gitarre – Ljowa musste fast jedes Mal weinen. Er war oft bei uns zu Besuch. Eines Tages hat er sich eine italienische Marionette von uns erbeten, einen schwarzen Bajazzo. Ich weiß nicht, was ihn an dieser Puppe gereizt hat. Er hat sich einfach in sie verliebt. Schenk sie mir, sagte er, ich will es dir vergelten, wenn nicht auf dieser Welt, dann in der nächsten. Wenn du sie mir nicht schenkst, schleiche ich mich in der Nacht herein, stehle sie und setze euch den roten Hahn aufs Dach … Das war natürlich ein Scherz.«
    »Scherz hin oder her«, sagte Tolstoi nachdenklich, »aber da war eine Puppe. Und dann war da noch … Olsufjew, aber wie der aussah! So beruhigen Sie sich doch, um Gottes willen, Sie haben sich geändert und waren am Schluss ein guter Mensch!«
    Letzteres galt Knopf, der immer noch mit entsetzt aufgerissenen Augen dasaß und die Hand ans Herz gedrückt hielt.
    Am Tisch trat Stille ein, unterbrochen nur vom Klappern des Bestecks. Der Inder neigte sich dem Übersetzer zu und fragte:
    »Sagen Sie, haben Sie nicht vielleicht im Traum auch das Amulett gesehen?«
    Tolstoi überlegte kurz.
    »Doch. Ich glaube, darin befand sich ein goldener Einsatz mit einem heiligen Text, und zwar auf Ägyptisch, warum auch immer. Nachher, in einem späteren Teil des Traums, wurde er übersetzt, und es stellte sich heraus, dass er den Namen eines antiken Gottes enthielt. Der aber
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