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Titel: Toggle
Autoren: Florian Felix Weyh
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Alexandre Ranchin und erhob sich. Doch Pia war schneller. Mit einem Satz befand sie sich am Tisch. »Kommt nicht infrage!«, rief sie erregt aus und machte eine Bewegung, als wolle sie die beiden Dongles verschlingen.
    Jewgenij Jacob Fünfgeld pochte auf den Tisch.
    »Quälen Sie sich nicht unnötig« sprach er ruhig. »Auch ich habe meine Einwände. Als Neuankömmling bei capita mundi , den Köpfen der Welt, wird man mir das Ohr leihen. Schon aus Höflichkeit, nicht wahr?«
    Seine Frage duldete keinen Widerspruch.
    »Die Formel bleibt unangetastet. Sie kann ihre Kraft nur entfalten, wenn sie von der Intelligenzija nicht manipuliert wird. Entfalten in meinem Sinne.«
    Nachdem Kingfish Pia weder in ihrem Zimmer angetroffen hatte, noch etwas über sie bei der Concierge in Erfahrung bringen konnte, war er mehrfach durch die Gänge geirrt, einmal in der Tiefgarage gelandet, ein andermal in einem Kinderparadies mit Matratzenburgen und Spielzeugbergen, hatte Wäschekabuffs und einen mit Möbeln vollgestellten Gymnastikraum entdeckt, aber keine Spur der Gesuchten. Bei seinem einzigen Aufenthalt in Mellau, bei dem er zusammen mit Melissa den Feinschliff der Formel erledigt hatte, hatte er sich kaum aus dem Zimmer bewegt. Nun ärgerte er sich über das, was er damals verpasst hatte, noch mehr allerdings über die doppelten und dreifachen Wege, die ihm seine Ortsunkenntnis jetzt abverlangte. Schließlich hielt er im zweiten Stock einen blonden Zwölfjährigen an, der einen mit den Räumlichkeiten vertrauten Eindruck machte. Er besaß anscheinend einen Generalschlüssel, denn er konnte sich aus den Wäschekabuffs Colaflaschen zur Minibarversorgung holen.
    »Hast du eine Frau gesehen, die mit einer weißen Stoffhose –« Verdammt, Kingfish wusste nicht mal, was Pia nach dem Duschen angezogen hatte! »… die irgendwie aussah, als müsse sie die Welt retten? Leicht gehetzter Gesichtsausdruck, Zeichen von Besorgnis?«
    Der Junge überlegte so ernsthaft, wie Kinder das manchmal taten. »Die mit den Zwillingen und dem Fünfjährigen, der neulich die Leiche im Bach gefunden hat?«, fragte er dann.
    Kingfish nickte verblüfft. Der Junge wusste ja wirklich Bescheid.
    »Die ist in der oberen Bibliothek.«
    »Und das ist wo?«
    »Ich bring Sie hin«, sagte der Sohn des Hoteliers. »Kann man schon mal den Überblick verlieren bei uns. Oder?«
    Noch einmal umrundeten sie auf Höhe des zweiten Stocks den Hotelinnenhof, stiegen eine Treppe hinunter, um übers Salettl in den Gewittersteinflügel zu gelangen. Da blieb Kingfish plötzlich wie angewurzelt stehen: Ein paar Meter vor ihm stapfte Nikolaus Holzwanger das Treppenhaus hinab, ganz offensichtlich ebenso auf der Suche nach Pia wie er selbst.
    »Na so was!«, rief Kingfish verblüfft aus.
    Holzwanger drehte sich um. »Wo ist meine Frau?«, brauste er auf. »Sag schon, du polnischer Bauer, was hast du mit ihr angestellt!«
    Kingfish holte tief Luft. Falsches Programm.
    »Abbruch, Neustart!«, befahl er dem irrgeleiteten Ehemann. »Ich vermute, sie redet sich gerade in der Schaltzentrale von Societas Jesu Reloaded um Kopf und Kragen.«
    Doch Pia redete nicht, Pia hörte zu. Auch die anderen hörten zu. Nicht zuletzt, weil sich ihre Intelligenz von einer russischen Gyurza-Pistole beeindrucken ließ, die Urs-Albert Flüeli lässig gegen seinen Oberschenkel schlug. Auf Zuruf des Oligarchen war der Sekretär eingetreten, hatte die Tür abgesperrt und sicherte nun den Raum. Seine letzte Reservistenübung bei der Schweizer Armee lag zwar schon länger zurück, aber der Mensch wuchs mit seinen Aufgaben – selbst wenn er den Waffentyp nicht kannte.
    »Sie zählen gewiss zu den Leuten, die sich fragen, wem die Welt gehört? Die Antwort ist ganz einfach: Mir gehört sie! Jedenfalls zu einem beträchtlichen Teil. Aber was fange ich damit an? Die Frage stellt sich jedem in meiner Lage … jedenfalls, wenn er Verstand hat, was sich leider nicht über viele meiner Milliardärskollegen sagen lässt. Doch wenn man auf eine Familiengeschichte von 200 Jahren geistiger Größe und kaufmännischer Gewitztheit zurückblickt, dann kann man sich diesem Appell nicht entziehen. Anhäufung von Reichtümern füllt die Seele nicht. Sie sind Wissenschaftler, Sie wissen es am besten! Sie haben sich Projekten verschrieben, die Ihre Person überragen. Darum beneide ich Sie.«
    Längst saß der Oligarch nicht mehr zwischen den anderen, sondern wanderte im Raum auf und ab.
    »Unsere Familiengeschichte kennt Höhen und
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