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Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)

Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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Januarnacht gestorben. Vor ihrem Tod hatte das Mädchen acht Wochen im Koma zugebracht, sodass sich Lillemor manchmal, für einen schwachen Moment, ihren Tod herbeigesehnt hatte und sich im nächsten Moment für ihre eigenen Gedanken schämte und zu Gott betete, er möge ihr noch viele Tage mit Marie schenken. Aber der Tag würde kommen, das stand fest. Als es dann tatsächlich so weit war, war der Schmerz unerträglich gewesen. Sie fühlte sich betrogen. Man hatte ihr drei Jahre in Aussicht gestellt, es waren nur neunzehn Monate geworden. Wie konnten sie sich so irren? Sie weigerte sich, Marie loszulassen, indem sie die Tatsachen ignorierte. Sie wickelte sie, gab ihr die Infusion mit der Flüssignahrung, sie badete sie und zog ihr frische Sachen an. Aber Maries Augen wurden immer glasiger und zogen sich in die Höhlen zurück, ihre Haut bekam dunkle Flecken, und das Haar löste sich vom Kopf. Dies und der zunehmende Geruch der Verwesung zwangen Lillemor irgendwann, sich der Wahrheit zu stellen. Marie war tot. Was sollte nun geschehen? Was tat man, wenn jemand starb? Man rief den Arzt, den Bestatter. Aber Marie brauchte keinen Arzt mehr, und Lillemor wollte nicht, dass ein Bestatter den kleinen Körper berührte. Sie wollte keine Beerdigung, weder auf dem Kirchhof der Insel noch sonst wo. Was verband Marie mit einem Friedhof, was Lillemor? Nichts! Außerdem würde man sie fragen, warum sie so lange gewartet hatte, und womöglich würde man ihr die Schuld an Maries Tod geben, weil sie ihr Kind nicht in ein Krankenhaus gebracht hatte. Also wählte sie eine Stelle, die sie von ihrem Schreibtisch aus gut sehen konnte, um sie zu bestatten. Mit der Hacke schlug sie in den gefrorenen Boden, bis ihr fast die Arme abfielen, aber sehr bald schon stieß sie auf undurchdringlichen Fels. Sie zog Marie das weiße Nachthemd mit den Spitzen an und legte sie in ihr kleines Felsenbett. Mit den Händen schaufelte sie die Erde über den Körper und klopfte sie vorsichtig fest. Dabei murmelte sie die Gebete, die sie aus der Zeit mit Ingvar Hakeröd, dem Mann ihrer Mutter, behalten hatte. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangelnVater unser, der du bist im Himmel Damit kein Tier an den Körper gelangen konnte, löste sie Steine aus der Mauer und schichtete sie auf. Wie bei den Hügelgräbern, die es im ganzen Land verteilt gab. Sie kaufte Grablichter und stellte sie davor. Um die große Leere, die Maries Tod hinterlassen hatte, auszufüllen, schrieb sie das Buch zu Ende, das sie angefangen hatte, als sie schwanger gewesen war. Erstaunlicherweise gelang es ihr, sich darauf zu konzentrieren, und nach vier Wochen war sie fertig damit. Aber die Einsamkeit, die sie früher so geschätzt hatte, erdrückte sie nun. Fluchtartig verließ sie die Insel und ihr totes Kind. Sie erzählte niemandem, was passiert war. Marie war ihr Kind gewesen, ganz allein ihres, ihr Tod ging niemanden etwas an.

Forsberg war gerade in seinem Büro angekommen und hatte die Abwesenheit des Vogels mit gemischten Gefühlen registriert, da wünschte ihn Dag Cederlund zu sprechen. Forsberg bat ihn herein. Der Mann, den er zum ersten und einzigen Mal auf der Trauerfeier seines Vaters gesehen hatte, setzte sich mit eckigen Bewegungen auf den Besucherstuhl, zupfte an den Bügelfalten seiner Hose und begann zögernd:
    »Ich bin hier, wegen dieser Anschuldigungen gegen meinen Vater.«
    »Ja«, sagte Forsberg. Was wollte er? Sich beschweren? Dann wäre er sicher gleich mit einem Anwalt gekommen. Dag Cederlund ruckelte am Knoten seiner Krawatte, und Forsberg sah den Jungen vor sich, der mit den Gewaltausbrüchen seiner Mutter zurechtkommen musste, und der Scham und Hilflosigkeit seines Vaters. Und jetzt entpuppte sich dieser Vater auch noch als Kinderschänder. Familie, dachte Forsberg. Sie sollte für Kinder ein Schutz sein, doch die meisten Familien verbogen und beschädigten sie nur.
    »Der Einbruch und der Überfall auf meine Mutter – hat das etwas damit zu tun?«
    »Wir sind gerade dabei, es herauszufinden«, sagte Forsberg. »Wir haben gestern zwei Verdächtige festgenommen, und zur Stunde laufen die Hausdurchsuchungen.«
    Cederlund nickte.
    »Eva Röög sagte mir, dass meine Mutter sich mit ihr treffen wollte. Aber dann kam der Überfall dazwischen.«
    »Ja«, sagte Forsberg und schielte auf die Uhr. Gleich neun und noch immer keine Nachricht von Selma. Er würde bei allernächster Gelegenheit mit ihr über Disziplin sprechen müssen.
    Dag Cederlund griff in die
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