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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel
Autoren: Tina Sabalat
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verschwand.
    »Was macht Sie damit? Es waren Stäbchen dabei. Sojasoße auch.«
    »Wegschmeißen. Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich mit Ihnen Sushi essen werde?«
    Er zuckte mit den Schultern und wanderte durch den Raum, blieb schließlich vor der Tür zu meinem Zimmer stehen. Sehr nah vor der Tür. Ich stand auf und sah durch den Spion: Sams Gesicht war fischmäßig verzehrt. Er bewegte es hin und her, vergrößerte seine Nase, seinen Mund, seine Augen, als würde er mit einem Zerrspiegel spielen. Wusste er, dass ich ihn ansah? Wahrscheinlich.
    »Bei Sushi haben Sie am wenigsten angeekelt geschwiegen. Gestern. Am Telefon«, sagte er mit den Lippen nah am Spion, ich schreckte zurück, weil ich auf eine verzerrte Nahaufnahme seines Mundraums nicht besonders scharf war. Und ich unterdrückte ein Lächeln, auch wenn Sam es gar nicht hätte sehen können.
    »Ich formuliere die Frage neu: Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich mit Ihnen essen werde?«
    »Warum nicht?«, entgegnete Sam. »Menschen essen. Weil sie müssen. Und weil es Spaß macht. Den meisten Menschen macht zu zweit Essen noch mehr Spaß.«
    »Setzen Sie sich.«
    Ich ging selbst mit gutem Beispiel voran und nahm wieder am Schreibtisch Platz.
    »Ich dachte, wir könnten das heute anders ...«
    »Sie sollen sich setzen.«
    Sam seufzte, schlenderte zum Sofa, kurz darauf erschien sein Gesicht auf meinem Monitor. Man sah ihm die lange Nacht noch immer an, aber die verräterischen Zeichen waren abgemildert: Er wirkte jetzt eher grundsätzlich erschöpft, aber auch aufgedreht, kribbelig – verfrühter Todes-Jetlag oder so was.
    »Sie müssen mir etwas versprechen«, sagte ich, er zuckte mit den Schultern, was nicht sehr ernsthaft aussah.
    »Klar.«
    »Wirklich versprechen. Hoch und heilig. Ehrlich und aufrichtig.«
    »Ja, okay. Was?«
    »Dass Sie mit niemand über das hier sprechen. Über mich. Dass Sie vergessen, dass Sie jemals hier waren. Und dass Sie niemals wieder kommen, wenn wir fertig sind. Ich habe schon eine neue Telefonnummer, aber ich habe keine Lust, umzuziehen.«
    »Verlangen Sie das von allen Ihren Kunden?«
    »Nein. Aber meine normalen Kunden spionieren mir auch nicht hinter her oder erschwindeln sich meine Telefonnummer. Die Freunde meiner normalen Kunden landen nicht als Leiche in meinem Pool. Und ich habe Ihnen schon mehr von mir erzählt, als gut ist. Betriebsgeheimnisse sozusagen.«
    Sam lehnte sich zurück: Meine Bitte um Verschwiegenheit schien ihm sein Selbstbewusstsein wiedergegeben zu haben.
    »Unter einer Bedingung.«
    »Und die wäre?«
    »Essen Sie das Sushi mit mir. Bitte. Ich habe Hunger.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Ich arbeite schwer daran, Menschen anzusehen, ohne zu kotzen. Essen ... Nein. Ein ganz klares Nein.«
    »Erklären.«
    »Sam, wir sind hier, um Ihr Problem zu lösen.«
    »Bitte. Nur zum Thema Essen.«
    Ich kapitulierte. »Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mir gegenüber. Ich nehme ein Stück Sushi und stecke es mir in den Mund. Was sehen Sie dann?«
    »Sie essen toten Fisch mit Reis. Und es schmeckt Ihnen, weil es gutes Sushi ist.«
    »Ja, Sie sehen mich essen. Von außen. Meine Backen bewegen sich, wenn ich kaue, mein Hals bewegt sich, wenn ich schlucke. Sehe ich Sie an, während Sie essen, bin ich dabei in Ihrem Mund. In Ihrem Hals. In Ihrem Magen. Ich sehe Ihre Zähne, die den Fisch zermahlen. Ihren Speichel, der die matschige Masse schön saftig macht. Ihre Speiseröhre, durch den das Ganze dann hindurchgezwängt wird. Und Ihre Magensäfte, die aus allen Drüsen herausspritzen, um den toten Fisch in einen sauren Brei zu verwandeln, einen Brei, der dann in der schwülen Wärme ihres Körpers weiter vor sich hin gärt und der ...«
    Sam hob die Hand und verzog den Mund. »Verstanden. Kein Sushi für mich. In Ihrer Gegenwart.«
    »Nein, kein Sushi. Gar kein Essen. Wenn ich Sie ansehe, lande ich in Ihrem halb verdauten Essen. Das ist so schon unangenehm genug, da müssen Sie mir nicht auch noch von oben frisch durchgekaute Nahrung auf den Kopf schmeißen.«
    »Aber Sie könnten dort drin was Essen. Und ich hier. Dann essen wir doch irgendwie zusammen, aber Sie müssen nicht kotzen. Sie sähen mich beim Essen so, wie ich Sie sehe.«
    Ich war das Thema leid. »Sam, Sie sind nicht zum Essen hier.«
    Er presste seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, als hätte ich gerade ein romantisches Dinner abgesagt.
    »Gut, vergessen Sie's. Aber Sie müssen nicht da drin sitzen.«
    »Doch.«
    Er öffnete den
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