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Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer
Autoren: Viveca Sten
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Marmeladenbisquits auf einen Teller und trug alles zu Kicki Berggren. Nachdem sie getrunken hatte, fragte ich sie, ob sie am nächsten Tag wiederkommen könne. Mit fremder, hohler Stimme bat ich sie um Bedenkzeit. Dieselbe fremde, hohle Stimme versprach, innerhalb von vierundzwanzig Stunden zu einer Entscheidung zu kommen. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag um zwölf Uhr mittags. Aber Kicki Berggren kam nicht mehr wieder.
    Während ich diese Zeilen schreibe, steht Helges alte Medizin neben mir auf dem Küchentisch. Es ist Morphin, das ich vom Krankenhaus bekommen hatte, als er im Sterben lag. Jetzt wird es ein letztes Mal gebraucht.
    Kajsa schleicht um meine Beine und winselt unruhig. Der kluge Hund versteht, dass etwas nicht stimmt. Sie sieht mich so bettelnd an, dass ich kaum in der Lage bin weiterzuschreiben. Aber Nora ist im Leuchtturm Grönskär eingesperrt und muss so schnell wie möglich befreit werden. Wir waren heute Abend gemeinsam dort, und sie weiß, wie alles zusammenhängt. Ich konnte nicht riskieren, dass sie mich daran hindertzu tun, was ich tun muss, also war ich gezwungen, sie einzuschließen. Ich verstehe selbst nicht, wie ich das geschafft habe, aber irgendetwas gab mir die Kraft, den riesigen Schraubenschlüssel, den ich in einer Ecke fand, hochzuheben und in der Tür zu verkeilen. Anschließend bin ich mit ihrem Boot zurückgefahren.
    Bitte richtet Nora von mir aus, wie schrecklich leid es mir tut, dass ich sie einsperren musste.
    Noch diese Worte zum Schluss: Das hier ist meine eigene Entscheidung. Keiner hat das Recht, mir mein Haus wegzunehmen. Hier bin ich geboren, und hier werde ich sterben.
    Signe Brand
    Mit einem kleinen Seufzer legte Signe den Stift hin. Sie faltete den Brief zusammen, steckte ihn in einen Umschlag und stellte ihn an einen Kerzenhalter gelehnt auf den Küchentisch. Dann nahm sie noch ein Blatt, schrieb hastig ein paar Zeilen und steckte es ebenfalls in einen Umschlag. Mit langsamen Schritten durchquerte sie die Küche und griff nach einer Schachtel Streichhölzer.
    »Komm, Kajsa«, sagte sie weich und streichelte dem Hund über den Kopf.
    Sie griff nach der Petroleumlampe auf dem Küchentisch, die Großvater Alarik einst zur großen Begeisterung der Familie in Stockholm gekauft hatte. Damals war sie noch ein kleines Mädchen gewesen, aber sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie schön die Lampe gewesen war, als Großvater damit nach Hause kam.
    Vorsichtig zündete sie den Docht an und regulierte die Flamme, sodass sie ein warmes Licht um sich herum verbreitete.
    Mit der Lampe in der einen Hand und der Medizin in der anderen ging sie hinaus auf die Veranda. Geübt zog sie zwei Morphinspritzen auf. Die Routine aus Helges Krankheitszeit war nicht verloren gegangen.
    Kajsa hatte sich zu ihren Füßen hingelegt, auf ihrer Lieblingsdecke.
    Als sie dem Hund die Spritze setzte, liefen ihr die Tränen über die welken Wangen. Sie strich Kajsa über die seidenweiche Schnauze und versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken. Die Hündin winselte, rührte sich aber nicht, sondern ließ Signe das Morphin injizieren, ohne sich zu wehren.
    Signe saß ganz still und streichelte Kajsas Kopf in ihrem Schoß, bis die Hündin aufhörte zu atmen.
    Dann schüttete sie eine Handvoll Tabletten aus dem Röhrchen und schluckte eine nach der anderen mit etwas Wasser. Sie nahm die zweite Morphinspritze und leerte sie in ihren linken Arm. Anschließend hüllte sie sich in eine Decke, die sie selbst vor vielen Jahren gewebt hatte, und setzte sich in den Korbsessel. Sie fror ein wenig, aber das spielte ja praktisch keine Rolle mehr. Als Letztes löschte sie die Petroleumlampe.
    Nur mit Mühe konnte sie den Horizont und die vertrauten Umrisse der Inseln in der Nacht erkennen. Dann schloss sie die Augen und lehnte sich ein letztes Mal im Sessel zurück.

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Kapitel 80
Sonntag, fünfte Woche
Kapitel 80
    Der Augustmond ging hinter den Bäumen von Telegrafholmen auf, rund und dunkelgelb und so nah, dass man ihn fast berühren konnte. Die Kinder waren in ihren Betten eingeschlafen, ausnahmsweise einmal ohne allzu große Proteste. Henrik und Nora saßen unten am Steg.
    In der Luft lag ein Hauch spätsommerlicher Kühle.
    Nora schüttelte sich leicht. Ob es die abendliche Feuchtigkeit war, die sie frösteln ließ, oder die Ereignisse der letzten Wochen, wusste sie nicht. Es gab so vieles, auf das sie im Moment keine Antwort wusste.
    Sie drehte unablässig ihre Teetasse zwischen den Händen,
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