Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer
Autoren: Viveca Sten
Vom Netzwerk:
Wir haben auch später nie darüber gesprochen. Ich glaube nicht, dass er seit dem Tag, als man ihn zurück nach Sandhamn schickte, jemals wieder Kontakt zu Cecilia gehabt hat. Vielleicht wusste er nicht einmal, dass er einen Sohn bekommen hatte. Kurz darauf, nach einem schrecklichen Streit mit Vater, ging er zur See.
    Krister verfolgte mit seinem Besuch nur einen einzigen Zweck. Er verlangte sein Erbteil. Ohne mit der Wimper zu zucken, drohte er mir mit dem Zwangsverkauf der Brand’schen Villa, falls ich ihn nicht auszahlte. Als ob ich je so viel Geld hätte zusammenbringen können! Er hatte mit einem Anwalt gesprochen, und der hatte ihm erklärt, wie die Dinge lagen. Dass das Gesetz auf seiner Seite war.
    Ich war verzweifelt. Mein Haus bedeutet mir alles. Hier habe ich meinen ersten Atemzug getan, und hier hat meine Mutter ihre Augen für immer geschlossen. Mein Leben wäre zerstört gewesen, wenn er seine Drohung wahr gemacht hätte.
    Ich bot Krister an, in der Villa zu übernachten, in der Hoffnung, ihm sein Vorhaben am nächsten Tag ausreden zu können. Krank vor Sorge lag ich die ganze Nacht wach und dachte nach. Irgendwie musste es möglich sein, einen Ausweg zu finden. Wie sollte ich Krister begreiflich machen, dass die Brand’sche Villa kein Haus war, das man mal eben verkaufen konnte?
    Am Tag darauf schlug ich vor, wir sollten zusammen zum Fischen hinausfahren, genau wie Helge und ich es immer getan hatten, als er noch gesund war. Vielleicht konnte das Krister zur Einsicht bringen, vielleicht verstand er dann, wie absurd seine Forderung war.
    Es war ein herrlicher Tag. Die winterbleiche Sonne stand am Horizont, um uns herum war es vollkommen still. Ich nahm ihn mit zum Ådkobb, wo Helge und ich immer hingefahren waren. Es war eine seiner Lieblingsstellen.
    Ich hatte gerade das erste Netz ausgeworfen, als es auch schon ruckte und ich Fischschuppen im Wasser schimmern sah. Ich rief Krister zu, er solle kommen und sich das ansehen. Aber als er sich vorbeugte, um besser sehen zu können, stützte er sich auf der Motorhaube des Außenborders ab. Aus Nachlässigkeit hatte ich den Motor nicht richtig gesichert, nachdem ich ihn hochgeklappt hatte. Er kippte zurück ins Wasser, Krister verlor das Gleichgewicht und fiel über Bord, direkt ins Netz.
    Ich griff nach dem erstbesten Tau und knüpfte eine Schlinge, die er sich um den Oberkörper legen sollte, damit ich ihn aus dem Wasser ziehen konnte. Er hatte sich geweigert, eine Schwimmweste anzulegen. Die sei nur für Weiber und Kleinkinder, hatte er gebrummt, als ich ihm eine anbot.
    Plötzlich merkte ich, dass das Tau in meiner Hand die Ankerleine war. Am anderen Ende saß die schwere Dregge. Blitzartig erkannte ich: Wenn ich ihn nicht wieder herauszog, würde das Leben in seinen gewohnten Bahnen weitergehen. Niemand würde mir mein Haus wegnehmen. Alles würde so sein wie immer.
    Ohne richtig nachzudenken, warf ich den Anker über Bord. Meine Arme führten die Bewegung ganz von allein aus. Das Letzte, was ich von ihm sah, war sein Kopf, der im kalten, dunklen Wasser abwärtsgezogen wurde.
    Alles, was mit diesem Tag zu tun hatte, versank später wie in einem weißen Winternebel. Es kam mir fast so vor, als sei es nie passiert. Aberdann wurde Kristers Leiche am Weststrand angeschwemmt. Ich wusste sofort, dass es mein Neffe war, und ich hatte keine Ahnung, was ich tun oder wie ich mich verhalten sollte. Nacht für Nacht lag ich schlaflos da und grübelte.
    Dann kam Kicki Berggren. Eines Tages stand sie vor der Tür und klopfte. Das gierige Luder behauptete, Kristers Cousine zu sein. Sie sagte, Kristers Tod bedeute, dass sie das Erbe an seiner Stelle beanspruchen könne. Wenn ich ihr nicht freiwillig das halbe Haus gäbe, würde sie mich dazu zwingen.
    Ich hörte mich selbst sagen, sie solle doch eine Tasse Tee mit mir trinken, bevor wir das Gespräch fortsetzten. Es war, als spräche eine Fremde aus mir.
    Als ich die Dose mit meiner hausgemachten Teemischung aus der Speisekammer holen wollte, fiel mein Blick auf die Flasche mit dem Rattengift. Sie stand schon seit Ewigkeiten dort auf dem obersten Regal. Mit zitternden Händen nahm ich sie herunter. Das rote Etikett mit dem Totenschädel schien in dem schummrigen Licht von selbst zu leuchten.
    Da wusste ich, was ich zu tun hatte. Als der Tee fertig war, nahm ich zwei Becher, goss zwei Fingerhoch von der giftigen Flüssigkeit in den einen und füllte beide Becher mit Tee. Dann legte ich ein paar selbstgebackene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher