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Toedlicher Hinterhalt

Toedlicher Hinterhalt

Titel: Toedlicher Hinterhalt
Autoren: Suzanne Brockmann
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Arbeiterschicht Neuenglands entstammte.
    »Tom«, sagte sie und fühlte, wie sie weiche Knie bekam. Sie erinnerte sich an das schummrige Leuchten des Armaturenbretts in seinem Auto, wie es so ein ungewöhnliches Licht auf sein Gesicht geworfen hatte, als sie … Sie schob den Gedanken beiseite. »Ich muss Joe finden. Mein Vater ist –«
    Sie unterbrach sich selbst, denn ihr wurde klar, dass so etwas schon einmal passiert war. Fast die gleiche Situation hatte es schon einmal gegeben. Damals war sie in der neunten Klasse gewesen, und Tom hatte kurz vor dem Abschluss gestanden.
    Sie war von der Schule nach Hause gekommen und hatte ihren Vater ohnmächtig in der Küche vorgefunden, volltrunken. So etwas war selten mitten am Tag vorgekommen, aber da hatte er gelegen, kurz bevor ihre Mutter jeden Moment mit einigen Damen aus ihrem Tennisklub nach Hause kommen wollte.
    Kelly war losgerannt, um Joe zu suchen, und auf Tom getroffen. Gemeinsam hatten sie Charles schließlich in sein Schlafzimmer getragen und ihn wohlbehalten ins Bett gelegt.
    »Ich weiß nicht, wo Joe ist«, entgegnete Tom nun. »Ich habe auch schon nach ihm gesucht. Was gibt es denn für ein Problem? Kann ich dir helfen?«
    »Ja. Danke.« Sie führte ihn schnell zurück zum Haupthaus. »Mein Vater ist im Badezimmer gestürzt«, erklärte sie ihm. »Und obwohl er jede Menge Gewicht verloren hat, ist er immer noch zu schwer für mich. Ich habe bereits versucht, ihn dazu zu überreden, dass eine Krankenschwester nach ihm sieht, zumindest während ich auf der Arbeit bin, aber er ist so stur.«
    Gott, hör sich das einer an. Sie plapperte einfach drauflos. Zum ersten Mal seit sechzehn Jahren überschnitt sich ihr Aufenthalt zu Hause mit einem von Toms unregelmäßigen Besuchen bei Joe. Mit dem Unterschied, dass sie sich dort nicht bloß für eine kurze Stippvisite aufhielt. Sie war gekommen, um zu bleiben. Bis ihr Vater starb.
    Tom folgte ihr in die Küche, ins Haus. »Ist dein Vater krank?«, erkundigte er sich.
    Kelly drehte sich zu ihm um und staunte erneut darüber, wie viel größer und breiter er geworden war. »Mein Vater stirbt«, teilte sie ihm leise mit. »Hat Joe dir nichts davon erzählt?«
    »Er stirbt?« So überrascht, wie Tom nun wirkte, war es ganz offensichtlich, dass er nichts davon gewusst hatte. »Gott, nein! Ich meine, ich habe eine Weile nicht mit Joe gesprochen, aber … Kelly, das tut mir so leid. Ist es …?«
    Sie nickte. »Krebs. In der Lunge, in der Leber, in den Knochen, in seinen Lymphknoten. Zähl was auf, er wird auch da Metastasen haben. Sie können nicht sagen, von wo genau es ausgeht und wohin der Krebs überall gestreut hat, aber das spielt jetzt auch schon keine Rolle mehr. Sie werden bei einem achtzigjährigen Mann keine Experimente mehr machen und auf Verdacht Eingriffe vornehmen. Und eine Chemo kommt nicht infrage, also …«
    Sie musste sich räuspern. Es laut auszusprechen rief ihr immer die Heftigkeit des Ganzen ins Gedächtnis. Eines Morgens in sehr naher Zukunft würde sie in einer Welt aufwachen, in der es ihren Vater nicht mehr gab. Sie war noch nicht bereit dafür. Und sie konnte sich kaum vorstellen, dass sie es jemals sein würde.
    Auf dem Weg den langen Flur entlang zu Charles’ Zimmer ging Kelly voran. »Tragen wir ihn ins Bett, dann kann ich dafür sorgen, dass er es bequem hat.« Danach hätten sie vielleicht etwas Zeit, sich zu unterhalten, und sie könnte sich neben Tom Paoletti setzen, das Objekt ihrer Teenagerträume – und einiger anderer, sehr erwachsener Fantasien.
    Kelly fragte sich, ob er wohl irgendetwas über diesen einen Abend sagen würde. Gut möglich, dass er sich noch nicht einmal mehr daran erinnerte.
    »Hallo, Mr Ashton«, grüßte Tom ihren Vater, als er an ihr vorbei ins Badezimmer trat. »Sieht so aus, als könnten Sie eine helfende Hand gebrauchen.«
    »Du erinnerst dich noch an Tom Paoletti, oder, Dad?«, fragte Kelly.
    Nachdem sich Tom neben ihren Vater gehockt hatte, schaute er zu ihr hoch. »Kann er bewegt werden? Ist nichts gebrochen?«
    »Ja, ich glaube, er ist okay. Nichts tut schlimmer weh als gewöhnlich, nicht wahr, Dad?«
    »Natürlich erinnere ich mich an Tom Paoletti«, meckerte Charles und ging damit völlig über ihre zweite Frage hinweg. »Bist du immer noch bei der Navy?«
    »Ja, Sir«, gab Tom zurück. Schon in der Highschool war er überaus höflich gewesen. Er hatte Charles immer mit Mr Ashton und Sir angesprochen, trotz des offensichtlichen Misstrauens des alten
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