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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut
Autoren: Linda Castillo
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bestechen. Mein Name ist Kate Burkholder, und ich bin seit circa drei Jahren Polizeichefin von Painters Mill, einer kleinen Stadt im Nordosten Ohios. Als Tochter amischer Eltern wuchs ich hier in einem einhundertundsechzig Jahre alten Farmhaus auf, inmitten von sechzig Morgen Land aus fruchtbarem Gletscherboden, das uns gehörte. Wir folgten den Regeln des schlichten Lebens, lebten also ohne Elektrizität und motorisierte Fahrzeuge. Bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr war ich ein typisches amisches Mädchen – arglos und erfüllt von der Liebe zu Gott, auf eine Weise zufrieden, wie es die meisten amischen Kinder sind. Meine Zukunft, ja mein Schicksal, war durch mein Geschlecht und die Religion meiner Eltern vorherbestimmt. Doch all das änderte sich an einem Sommertag – die Sonne schien so schön wie heute –, als das Schicksal mich mit der dunklen Seite der menschlichen Natur bekannt machte. In einem Alter, das prägend für das ganze Leben ist, lernte ich, dass selbst an wunderbar sonnigen Tagen schlimme Dinge passieren können.
    Ich bemühe mich, meine Weltsicht nicht in meine Arbeit fließen zu lassen, was die meiste Zeit auch gelingt. Allerdings gewinnt manchmal der Zynismus Oberhand und trübt – vielleicht zu Unrecht – meine Wahrnehmung. Doch ziemlich oft fahre ich mit meinem generellen Misstrauen gegenüber dem Menschengeschlecht ganz gut.
    Bei offenem Fenster und einem Coffee-to-go zwischen den Knien fahre ich gerade in meinem Dienstwagen, einem Ford Explorer, gemütlich die Hogpath Road entlang. Ich habe für einen meiner Officer, der seine Familie in Michigan besuchen wollte, die Nachtschicht übernommen und bin müde. Aber es ist eine angenehme Müdigkeit am Ende von ereignislos verstrichenen Stunden ohne Raser, häusliche Auseinandersetzungen und frei umherlaufendes Vieh, das Chaos auf dem Highway anrichtet. In meinem Beruf lernt man die kleinen Freuden zu schätzen.
    Ich träume gerade von einer heißen Dusche und acht Stunden ungestörtem Schlaf, als das Funkgerät knistert. »Chief? Sind Sie da?«
    Ich drücke aufs Mikro. »Was gibt’s, Mona?«
    Mona Kurtz arbeitet in der Telefonzentrale unseres kleinen Polizeireviers. Von Natur aus ist sie eine Nachteule und passt trotz ihrer Lady-Gaga-Outfits und dem kaum polizeigerechten Verhalten gut dazu. Wenn nicht viel los ist – was oft passiert –, unterhält sie die anderen, aber wenn es die Situation verlangt, agiert sie professionell und ist ein echter Gewinn für die Abteilung.
    »Ich hab gerade einen Notruf wegen Ruhestörung bekommen«, sagt sie.
    »Wo soll das denn sein?«
    »Bei der überdachten Brücke.«
    Bilder von betrunkenen, randalierenden Teenagern gehen mir durch den Kopf, und ich stöhne innerlich. Die Tuscarawas Bridge ist bei den einheimischen Jugendlichen ein beliebter Ort zum »Chillen«, wobei es in letzter Zeit immer mal wieder zu unschönen Auswüchsen kam, wie betrunkene Minderjährige, Schlägereien und Drogenkonsum – und das ist sicher nur die Spitze des Eisbergs. Erst vor einer Woche hat einer meiner Officer den siebzehnjährigen Sohn des Bürgermeisters mit dreißig Gramm Marihuana und einer Meth-Pfeife erwischt. Bisher hat sich der Bürgermeister noch nicht bei mir gemeldet, doch ich bin sicher, dass mir eine Unterhaltung noch bevorsteht. Dabei wird er wahrscheinlich mit einer Bitte an mich herantreten, die ich ihm nicht erfüllen kann.
    Beim Blick auf die Uhr im Armaturenbrett unterdrücke ich ein Stöhnen. Es ist gerade mal acht Uhr. »Die fangen aber wirklich früh an.«
    »Oder bleiben lange auf.«
    »Wer hat angerufen?«
    »Randy Trask. Er war auf dem Weg zur Arbeit und meinte, es hätte nach Krawall ausgesehen.«
    Ich fluche leise, schwenke nach rechts, drehe mitten auf der Straße und trete aufs Gas. »Ist Trask noch vor Ort?«
    »Nein, schon weg, Chief. Musste zur Arbeit.«
    Auch gut. »Bin auf dem Weg.«
    »Verstanden.«
    Die Tuscarawas Covered Bridge ist ein Wahrzeichen von Painters Mill und ein bedeutendes historisches Bauwerk. 1868 gebaut, war sie während der Depression dem Verfall preisgegeben und wurde 1981 auf Kosten des Steuerzahlers und mit einer Spende des Heimat- und Geschichtsvereins von Painters Mill restauriert. Die in typischem Scheunenrot gestrichene Holzbrücke überspannt den achtunddreißig Meter breiten Painters Creek, ist eine Touristenattraktion und war schon oft Thema bei Stadtverordnetenversammlungen, weil ein paar einheimische Graffitikünstler – von denen wir bis jetzt
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