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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut
Autoren: Linda Castillo
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noch keinen einzigen erwischt haben – sie als öffentliche Leinwand betrachten. Die Straße selbst ist wenig befahren, führt durch die Flussniederung und ist im Frühjahr oft überschwemmt. In den umliegenden Wäldern stehen jahrhundertealte Laubbäume, die im Sommer zusammen mit dem Unterholz den perfekten Ort für so manche illegale Aktivitäten bieten.
    Nach nur fünf Minuten sehe ich die Brücke und drossele das Tempo, als ich mich ihrem klaffenden roten Maul nähere. Zu meiner Rechten führt ein Trampelpfad in den Wald, den sicher schon viele Menschen benutzt haben, um unten am Fluss zu fischen, zu schwimmen, oder was immer sie sonst da unten so alles tun.
    Auf dem Schotterplatz neben der Straße steht ein aufgebockter Chevy Nova mit breiten Reifen und Heckspoiler, dessen oxidierte Farbe matt in der Morgensonne glänzt. Der uralte Bonneville daneben erinnert mit seinem Spachtelmasse-Patchwork am vorderen Kotflügel an einen gepanzerten Dinosaurier. Aus der offenen Fahrertür dröhnt so lauter, harter Techno, dass meine Autofenster vibrieren. Auf der anderen Seite der Brücke stehen noch zwei Autos. Weiter vorn, unter dem Dach der Brücke, sehe ich etwa zwei Dutzend Leute, die einen engen Kreis bilden.
    Ich lasse meine Sirene ein paarmal aufheulen, um auf mich aufmerksam zu machen. Einige blicken in meine Richtung, andere sind so fixiert auf das, was da vor sich geht, dass sie nichts mitbekommen. Oder vielleicht ist es ihnen auch nur egal.
    Ich parke hinter dem Nova, stelle den Motor aus und funke Mona an. »Bin vor Ort.«
    »Was geht da draußen ab, Chief?«
    »Ich tippe auf Schlägerei.« Als ich die Tür aufstoße, ertönt von der Brücke her ein Schrei. »Mist«, murmele ich. »Ist Glock schon da?«
    »Grade reingekommen.«
    »Schicken Sie ihn her, okay?«
    »Wird gemacht.«
    Ich stecke das Funkgerät in die Halterung, steige aus dem Wagen und sprinte los. Mehrere Jugendliche laufen weg, als ich näher komme. Ich sehe zwei Gestalten am Boden liegen, die miteinander kämpfen. Die aufgeheizte Meute drum herum stachelt sie grölend an, als hätten sie ihre gesamten Ersparnisse auf den blutigen Kampf zweier Hunde gewettet.
    »Polizei!«, schreie ich. Meine Stiefel knallen auf die Holzplanken. »Sofort aufhören! Zurücktreten, alle! Sofort!«
    Gesichter wenden sich mir zu, ein paar erkenne ich, die meisten nicht. In den jungen Augen blitzt Überraschung auf, gepaart mit etwas, das ein bisschen sehr nach Blutdurst aussieht. Grausamkeit in ihrer primitivsten Form. Rudelmentalität, denke ich, und das beunruhigt mich fast so sehr wie der Kampf selbst.
    Ich dränge mich dazwischen, schiebe die Leute beiseite. »Macht Platz, sofort!«
    Ein Teenager mit hängenden Schultern und sprießender Akne sieht mich an und tritt einen Schritt zurück. Ein anderer Junge, der so vom Kampfgeschehen absorbiert ist, dass er mich nicht bemerkt, stößt immer wieder die Faust in die Luft und ruft: »Gib’s dem Miststück!« Ein schwarzhaariges Mädchen in einem viel zu kleinen Top versetzt einer Kämpferin einen Tritt. »Schlag das Gesicht der Nutte zu Brei!«
    Ich schiebe mich an zwei Jungen vorbei, die kaum größer sind als ich, und bekomme zum ersten Mal einen freien Blick auf das Geschehen in der Mitte. Zwei Mädchen prügeln hemmungslos wie altgediente Kneipenschläger aufeinander ein, zerren sich an Kleidern und Haaren, graben sich gegenseitig die Nägel ins Gesicht. Ich höre animalische Laute, Stoff reißt, und Fäuste klatschen auf nacktes Fleisch.
    »Runter von mir, du Schlampe!«
    Ich beuge mich vor und packe das obere Mädchen an der Schulter. »Polizei«, sage ich. »Hört auf damit.«
    Sie ist stämmig und bestimmt zwanzig Pfund schwerer als ich. Sie festzuhalten gleicht dem Versuch, einen hungrigen Löwen von seiner frischen Beute loszureißen. Als sie nicht reagiert, packe ich sie an beiden Schultern und ziehe sie zurück. »Es reicht, Schluss jetzt!«
    »Lass mich los!« Blind vor Wut versucht das Mädchen, meine Hände abzuschütteln. »Ich bring die Schlampe um!«
    »Nicht, wenn ich dabei bin.« Mit ganzer Kraft zerre ich sie hoch. Ihr Shirt zerreißt unter meinen Händen, sie taumelt rückwärts und landet vor mir auf dem Hintern, versucht aufzustehen, doch ich drücke sie runter.
    »Beruhig dich.« Ich schüttele sie, damit ihr klar wird, dass ich es ernst meine.
    Sie ignoriert mich, rutscht zur Seite und tritt nach dem anderen Mädchen, will ihm erneut einen Stoß versetzen. Ich packe ihre Oberarme und ziehe
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