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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung
Autoren: Anne Perry
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fürchte, meine Meinung von ihm ist da hoffnungslos voreingenommen«, entschuldigte Rathbone sich mit einem Lächeln. Er war seinem Vater sehr zugetan. Es gab niemanden, der ihm mehr bedeutet. »Aber nun darf ich Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, Mrs. Ballinger. Miss Ballinger, ich habe Ihre Gesellschaft sehr genossen, und ich hoffe, wir werden uns wieder sehen. Guten Abend.«
    Sie antworteten, wie es sich gehörte, und er wandte sich ab und ging davon, vielleicht ein wenig schneller als gewöhnlich. Obwohl er vom Verstand her vollkommen durchschaute, was da geschah und warum, und obwohl er das Ganze mit einer Art distanzierter Belustigung betrachtete, fühlte er sich verfolgt, und einzig die Gewissheit, dass ihm der Fluchtweg nicht versperrt war, hielt die in ihm aufsteigende Panik im Zaum.
    Er durfte jedoch nicht den Anschein erwecken zu fliehen. Das hätte Margaret gekränkt und wäre unentschuldbar gewesen. Er musste, um die Form zu wahren, mindestens mit drei oder vier anderen jungen Damen tanzen und vielleicht auch ein oder zwei ältere auffordern, bevor er mit einigem Anstand aufbrechen konnte.
    Eine Stunde später schickte er sich an, sich bei Lady Hardesty zu entschuldigen und ihr für den schönen Abend zu danken, als er sich plötzlich neben Zillah Lambert wieder fand. Ihr Begleiter hatte sich soeben entfernt, um ihr eine Erfrischung zu holen. Sie wirkte glücklich und erhitzt, ihre Haut glühte, und ihre Augen leuchteten.
    »Noch einmal guten Abend, Miss Lambert«, sagte er höflich. Sie war wirklich ein entzückendes Geschöpf.
    »Guten Abend, Sir Oliver. Ist das nicht ein herrlicher Ball?«
    Sie sah sich in dem Meer aus Spitze, Tüll und Seide um. »Ich wünschte, alle könnten so glücklich sein wie ich.«
    Er fühlte sich äußerst unwohl. Er wusste, dass ihre Freude zum größten Teil auf ihrem Verlöbnis mit Melville beruhte, und sie hatte offensichtlich nicht die leiseste Ahnung, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte. Was für sie die Aussicht auf eine glänzende Zukunft ungetrübten Glücks war, empfand er als Bedrohung. Er riskierte lieber den gesellschaftlichen und wohl auch finanziellen und beruflichen Ruin, als diese Ehe einzugehen.
    Warum? Hinter dieser Sache steckte weit mehr, als er Rathbone hatte verraten wollen. War Zillah wirklich so ganz anders, als sie zu sein schien?
    Er betrachtete sie noch einmal. Sie war gewiss reizvoll genug, um jedem Mann zu gefallen, - andererseits aber nicht so schö n , dass sie deswegen eitel oder verwöhnt sein musste. Falls sie extravagant war, so würde ihr wahrscheinlich eine großzügige Mitgift erlauben, sich jeden Luxus zu gönnen. Überdies schien sie von äußerst angenehmem Wesen zu sein.
    »Sie müssen Mr. Melville einmal kennen lernen, Sir Oliver« , bemerkte sie gerade voller Begeisterung. »Ich bin sicher, Sie würden ihn mögen. Jeder mag ihn oder fast jeder. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, er sei so entgegenkommend, dass es ihm an Charakter oder eigener Meinung mangle. Das ist gewiss nicht der Fall.«
    »Sie haben ihn sehr gern, nicht wahr?«, erkundigte er sich sanft.
    »O ja!« Man konnte ihr Glück beinahe mit Händen greifen.
    »Ich glaube, keine Frau in England, wenn nicht gar auf der ganzen Welt, ist so vom Schicksal begünstigt wie ich. Er ist alles, was ich mir nur wünschen kann. Noch nie habe ich mich in der Gesellschaft eines anderen Menschen so wohl gefühlt. Gleichzeitig ist seine Gegenwart so anregend; er vermittelt einem das Gefühl, mit an der Schwelle des größten Abenteuers zu stehen, das das Leben zu bieten hat. Ganz London wird uns um unser Zusammenleben beneiden. Ich weiß, er wird der perfekte Ehemann für mich sein, und ich werde alles in meinen Kräften Stehende tun, um ihm zu gefallen und dafür zu sorgen, dass er stolz auf mich sein kann. Ich hoffe nur, dass er in all den Jahren unserer Ehe nicht eine Stunde lang bedauern wird, sich für mich entschieden zu haben.« Sie sah ihn strahlend an, und in ihren großen, sanften Augen standen Hoffnung und Vertrauen.
    Plö tzlich hatte er das Gefühl, als krampfe sich etwas in ihm zusammen, und er konnte mit einem Mal Melvilles Angst verstehen. Es war ein unerträglicher Gedanke, solche Verantwortung für das Leben eines anderen Menschen zu übernehmen, eines Menschen, der in einem nicht das fehlbare, manchmal unsichere und ängstliche Wesen sah, das man - ebenso wie der andere - war, sondern eine Art Übermensch. Man konnte nie entspannen, niemals eine
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