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Tödliche Saturnalien

Titel: Tödliche Saturnalien
Autoren: Roberts John Maddox
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öffnete. Er war im Grunde doch kein so übler Junge, zumindest an guten Tagen. Die Tür fiel mit großer Endgültigkeit hinter mir zu.
    Ich machte mich auf einen weiteren langen Marsch durch die Straßen Roms, möglicherweise meinen letzten. Das verbleibende Licht des Tages verblaßte rasch, bald würde sich die Nacht über die Stadt gesenkt haben. Die Wolken über dem Capitol hatten sich noch dunkler zusammengebraut, hin und wieder flackerten zuckende Blitze auf. Wir Römer lieben Omen, und an jenem Abend waren die Vorboten des Schicksals angemessen finster. Heute nacht würde jemandem Böses widerfahren.
    Als ich das Forum erreicht hatte, war die Dunkelheit so undurchdringlich geworden, daß selbst die weißesten Bauwerke praktisch unsichtbar waren. Hin und wieder mußte ich stehenbleiben und auf einen Blitz warten, um mich zu orientieren. Schließlich gelangte ich zu der sich den Capitol hinaufwindenden Straße. Der auffrischende Wind zerrte an meinem Umhang, doch der Regen hatte noch nicht eingesetzt.
    Römische Gesetze und Gerichte sind die besten der Welt, aber manchmal versagen sie trotzdem. Überaus gerissene und skrupellose Männer wissen, wie man die Gesetze umgeht, wie man die Gerichte zum eigenen Nutzen mißbraucht, wie man Geschworene beeinflußt und die Macht der ehrgeizigen Fraktionsführer zum eigenen Vorteil benutzt. Einige der schlimmsten Männer Roms waren öffentliche Beamte und hervorragende Juristen. In solchen Zeiten muß ein Mann, der das Gesetz und die Sitten Roms liebt und achtet, sie manchmal verletzen, um der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen.
    Auf der Spitze des Capitols angekommen, stieg ich die Stufen des großen Jupiter-Tempels hinauf. Ein kleines, rauchendes Feuer brannte auf dem Altar vor dem Portal des Tempels. Das furchteinflößende Standbild des Gottes im Innern des Gebäudes wurde von zahlreichen Öllampen schwach beleuchtet. Ich zückte mein Schwert und schnitt mir eine Locke ab, die ich auf die Kohlen des Altarrostes legte. Als es zischte und rauchte, rief ich den Gott bei einem seiner vielen Namen an.
    »Jupiter Tarpeius, du Richter all derer, die einen Meineid geschworen, einen Eid gebrochen oder ihr Land verraten haben, hör mich an! Die Gesetze der Menschen und der Gemeinschaft deiner heiligen Stadt haben versagt, und ich muß in deinem Namen handeln. Wenn meine Taten nicht zu deinem Wohlgefallen sind, bestrafe mich nach deinem Willen.«
    Ich hatte getan, was ich tun konnte. Ich stieg die Stufen hinab und überquerte den breiten Vorplatz zum steilen Südhang des Capitol mit Blick auf die Route der Triumphzüge. Dort wartete ich. Ich wußte, daß sich im Tempel mindestens ein Diener aufhalten mußte, der nach den Lampen sah, aber ansonsten schien ich der einzige Mensch auf dem Hügel zu sein.
    Dann beleuchtete ein zuckender Blitz eine einsame Gestalt, die die Straße entlang kam. Als sie den Vorplatz des Tempels erreicht hatte, blieb sie stehen und sah sich um.
    »Hier drüben, Lucius«, sagte ich. Er drehte sich um, und ich konnte seine Zähne aufblitzen sehen, als er grinste. Wie ich trug er einen dunklen Umhang, der sich auffallend bauschte. Die Kapuze war über den Kopf gezogen, so daß ich wenig mehr als seine Augen und Zähne erkennen konnte.
    »Ich bin überrascht, daß du tatsächlich alleine gekommen bist«, sagte ich.
    »Ich kenne dich als einen Mann, der sein Wort hält, Metellus, und ich erwarte nicht, Hilfe zu brauchen«, erwiderte er. »Das war der seltsamste Brief, den ich je bekommen habe: Mord. Giftmord. Verrat. Frevel. Heute abend werde ich auf dem Capitol auf dich warten. Triff mich dort allein oder vor Gericht. Wirklich bewundernswert knapp.«
    »Ich habe mir auf meinen präzisen Prosa-Stil immer einiges eingebildet«, gab ich zurück. »Hast du etwas dagegen, mir ein paar Fragen zu beantworten, bevor wir anfangen?«
    Er blickte auf. »Es dauert hoffentlich nicht allzu lange, oder? Es fängt nämlich jeden Moment an zu regnen, und ich hasse es, naß zu werden.«
    »Ich werde mich kurz fassen«, versicherte ich ihm. »War das Ganze Pompeius’ Plan?«
    »Mit Sicherheit nicht. Du weißt doch, wie man bedeutenden Männern dient, Decius: Versuche zu tun, was sie wollen, erledige vor allem die unappetitlicheren Aufgaben, ohne darauf zu warten, daß sie dir aufgetragen werden. So bleiben ihre Hände sauber, und sie sind sich gleichzeitig bewußt, wieviel sie dir schulden.«
    »Und dieser widerwärtige Hexenkult? Wie bist du da hineingeraten?«
    »Decius,
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