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Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Töchter des Windes: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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gabelte, bog Gray nach dem Zufallsprinzip nach links. Wenn er nicht innerhalb der nächsten zehn Minuten die Pension oder etwas Ähnliches fände, würde er in dem verdammten Auto schlafen und morgen früh weitersuchen. Für heute nacht jedenfalls hatte er genug.
    Schade, daß er nichts von der Umgebung sah. Die finstere Trostlosigkeit des Sturms weckte das Gefühl in ihm, daß diese Landschaft genau seinen Wünschen entsprach. Sein nächster Thriller würde hier spielen, im irischen Westen, zwischen den Klippen, gegen die drohend der Atlantik schlug, und den hügeligen Feldern, in deren Senken beschauliche Dörfer kauerten. Vielleicht entdeckte er genau in diesem Augenblick auch
schon seinen erschöpften, der Welt müden Helden, der inmitten eines Unwetters in dieser unwirtlichen Region strandete.
    Er kniff die Augen zusammen und spähte in die Dunkelheit. Sah er da tatsächlich ein Licht? Bei Gott, er hoffte es. Er kam an einem heftig schwankenden Schild vorbei, wendete den Wagen, richtete die Scheinwerfer auf die Schrift und grinste.
    Er hatte tatsächlich das Blackthorn Cottage erreicht. Auf seinen Orientierungssinn war also doch Verlaß. Er hoffte, seine Wirtin erwies sich als die Personifizierung der legendären irischen Gastfreundschaft – schließlich kam er zwei Tage zu früh. Und dann auch noch nachts um zwei.
    Gray suchte nach einer Einfahrt, aber außer regennassen Hecken sah er nichts. Mit einem Schulterzucken stellte er das Auto an der Straße ab. Alles, was er für diese Nacht benötigte, befand sich in einem Rucksack auf dem Beifahrersitz. Er schnappte ihn, ließ den Wagen, wo er war, und trat in den Sturm hinaus.
    Wie eine zornige Furie schlug ihm der Wind ins Gesicht. Er schwankte, wäre um ein Haar in die tropfnasse Fuchsienhecke gestürzt und stolperte, mehr durch Glück als mit Absicht, gegen das Gartentor. Er öffnete es, trat hindurch und warf sich dagegen, damit es sich wieder schloß. Er wünschte, vom Haus wäre mehr als der bloße Umriß zu sehen, aber abgesehen von einer einzigen Lampe in einem der oberen Räume waren alle Lichter gelöscht, so daß das Gebäude völlig im Dunkeln lag.
    Das Licht der Lampe kam ihm wie das Signalfeuer eines Leuchtturms vor, und wieder träumte er von Kaffee.
    Er klopfte an, doch niemand kam. Durch das Tosen des Windes hindurch würde man es wahrscheinlich noch nicht einmal hören, wenn er mit einem Rammbock gegen die Tür stieße. In weniger als zehn Sekunden hatte er beschlossen, daß es das beste wäre, er träte einfach ein.
    Immer noch sah er nichts, sondern war auf Empfindungen beschränkt. In seinem Rücken toste der Sturm, während aus
dem Inneren des Hauses heimelige Wärme drang. Außerdem nahm er wohlige Düfte wahr – Zitrone, Möbelpolitur, Lavendel und Rosmarin. Vielleicht stellte die alte irische Wirtin ihr eigenes Potpourri her? Vielleicht würde sie ja wach und bereitete ihm noch eine heiße Mahlzeit zu?
    Plötzlich drang ein dunkles, wildes Knurren an sein Ohr. Er spannte sich an, hob den Kopf und sah sich mit zusammengekniffenen Augen um. Dann waren seine Gedanken während eines verblüffenden Augenblicks wie ausgelöscht.
    Im nachhinein kam ihm die Szene vollkommen unwirklich vor, wie aus einem Buch. Einem seiner eigenen vielleicht. Die schöne Frau, das lange, weiße, sich blähende Nachthemd, das Haar, das sich wie feuriges Gold über ihre Schultern ergoß. Ihr bleiches Gesicht im flackernden Licht der Kerze, die sie hielt. Der Hund, dessen Halsband sie mit der anderen Hand umklammerte und der ihr bis zur Hüfte reichte, sah aus wie ein Wolf.
    Sie stand reglos am oberen Treppenabsatz und starrte mit großen Augen auf ihn herab. Sie hätte aus Marmor sein können oder aus Eis. Auf jeden Fall war sie makellos.
    Dann zerrte der Hund an seinem Halsband, und mit einer Bewegung, die ihr Nachthemd wogen ließ, zog sie ihn zurück.
    »Sie lassen den Regen rein«, sagte sie mit einer Stimme, die ebenso märchenhaft wie ihr Aussehen war. Sanft, melodiös, mit dem singenden, irischen Rhythmus, dessentwegen er gekommen war.
    »Tut mir leid.« Er tastete nach der Tür und warf sie ins Schloß, so daß das Tosen des Sturms nur noch als Hintergrundgeräusch auszumachen war.
    Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Das Geräusch der Tür und Cons Reaktion hatten sie aus einem furchterregenden Alptraum aufgeschreckt. Und nun stand sie da und starrte auf einen schwarz gekleideten, formlosen Mann hinab, dessen Gesicht in der Dunkelheit nicht zu erkennen
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