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Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Töchter des Windes: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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wenig über das Gefühl des Verlassenseins hinweghelfen.
    Sie ging weiter ins Bad und sammelte die von ihm benützten Handtücher von der Trockenstange ein.
    Sie rochen noch nach ihm.
    Der Schmerz kam so plötzlich und so machtvoll, daß sie beinahe zu schwanken begann, und blind stolperte sie ins Schlafzimmer zurück, setzte sich auf das Bett, vergrub das Gesicht in den Tüchern und brach in hemmungsloses Schluchzen aus.
     
    Gray hörte sie weinen, als er die Treppe erklomm. Es war ein wildes, verzweifeltes Weinen, das ihn seine Schritte verlangsamen ließ.
    Er trat durch die Tür und sah, wie sie sich, das Gesicht in die Handtücher gedrückt, wiegte wie ein verlassenes Kind.
    Sie war weder kühl, dachte er, noch vernünftig, noch beherrscht.
    Als ließen sich die Müdigkeit und die Schuldgefühle auf diese Art vertreiben, fuhr er sich mit den Händen durchs Gesicht.
    »Tja«, sagte er mit angestrengter Fröhlichkeit. »Du hast einen ganz schönen Narren aus mir gemacht.«
    Ihr Kopf schoß hoch, so daß er den Schmerz in ihrem Blick und die dunklen Augenringe sah. Als sie aufstehen wollte, winkte er ab.
    »Nein, wein ruhig weiter. Es tut mir gut zu sehen, was für eine Heuchlerin du doch bist. ›Laß mich dir beim Packen behilflich sein, Gray. Soll ich dir noch etwas zu essen machen für die Fahrt? Ich komme hervorragend ohne dich zurecht.‹«
    Sie kämpfte vergeblich gegen ihre Tränen an, so daß sie ihr Gesicht abermals in den Handtüchern vergrub.
    »Du hast mich gehen lassen und bist ins Haus zurückgegangen,
ohne dich auch nur ein einziges Mal nach mir umzudrehen. Das war es, was an der Szene nicht stimmte. Es paßte einfach nicht. Es paßte einfach nicht ins Bild.« Er trat vor sie und nahm ihr die Handtücher aus der Hand. »Du bist hoffnungslos in mich verliebt, nicht wahr, Brianna? Du liebst mich ohne jeden Vorbehalt, ohne daß du mich in die Falle locken willst, ohne daß du mir mit irgendwelchen abgedroschenen Phrasen kommst.«
    »Ach, laß das doch. Warum bist du zurückgekommen?«
    »Ich habe ein paar Dinge vergessen.«
    »Hier ist nichts mehr.«
    »Du bist hier.« Er kniete sich vor sie und zog ihr die Hände vom tränenüberströmten Gesicht. »Laß mich dir eine Geschichte erzählen. Nein, wein ruhig weiter, wenn du willst«, sagte er, als sie versuchte, sich ihm zu entziehen. »Aber hör mir zu. Ich dachte, er müßte gehen. McGee.«
    »Bist du etwa zurückgekommen, weil du mit mir über dein Buch reden willst?«
    »Laß mich dir eine Geschichte erzählen. Ich dachte, daß er gehen müsse. Und ich dachte, es wäre egal, daß ihm nie zuvor ein Mensch so wichtig wie Tullia gewesen war. Ich dachte, es wäre egal, daß sie ihn liebt, daß sie ihn, sein ganzes Leben verändert hat. Daß er und sein Leben erst durch sie ganz geworden sind. In jeder anderen Beziehung waren die beiden schließlich meilenweit voneinander entfernt.«
    Geduldig beobachtete er, wie ihr eine weitere Träne über die Wange rann. Er wußte, sie kämpfte dagegen an. Er wußte, sie kämpfte und verlor.
    »Er war ein Einzelgänger«, fuhr er fort. »Von Kindesbeinen an. Was, zum Teufel, sollte er bitte in irgendeinem kleinen Cottage in Irland anfangen? Und sie ließ ihn gehen, denn sie war zu stur, zu stolz und sie liebte ihn zu sehr, um ihn zu bitten, daß er bei ihr blieb.«
    »Ich habe mir wochenlang Gedanken darüber gemacht«, erklärte
er. »Es hat mich verrückt gemacht. Und den ganzen Weg nach Dublin habe ich daran herumgekaut — ich dachte, dadurch würde ich von dir abgelenkt. Und plötzlich wurde mir klar, daß er gar nicht gehen will und daß sie ihn auch nicht gehen läßt. Oh, sie würden ohne einander überleben, weil sie die geborenen Überlebenden sind. Aber sie wären niemals ganz. Nicht so, wie sie es zusammen sind. Also habe ich das Ende umgeschrieben, sobald ich im Foyer meines Hotels in Dublin saß.«
    Sie schluckte, denn sie haßte die Tränen und die Scham, die sie empfand. »Dann hast du also dein Problem gelöst. Schön für dich.«
    »Eins meiner Probleme, ja. Du bleibst hier, Brianna.« Er verstärkte seinen Griff, bis sie nicht mehr versuchte, sich ihm zu entziehen. »Als ich mit dem Umschreiben fertig war, dachte ich, ich würde irgendwo etwas trinken und ins Bett gehen, aber statt dessen bin ich wieder in meinen Wagen gestiegen, habe kehrtgemacht und bin zurückgekommen. Ich hatte so vieles vergessen hier. Ich hatte vergessen, daß ich hier die glücklichsten sechs Monate meines Lebens verbracht
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