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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit
Autoren: Jennifer Handford
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international
werden und drei Sprachen beherrschen. Keine Frage, dass wir sie auch jederzeit für einen Urlaub in Neapel aus der Schule nehmen dürften.
    Wir lehnten uns zurück, verschränkten die Arme vor der Brust und hingen unserem gemeinsamen Traum nach. Damals schien alles möglich zu sein. Unsere Liebe, unsere Vorfreude und Neugier auf alles, was noch vor uns lag, und unsere untrennbare Loyalität waren wie ein Schutzschild, das uns vor aller Unbill bewahren würde.
    Ich hatte diese zwei Jahre, die Tim und ich ganz ohne Plan und Ziel im Ausland verbracht hatten, in vollen Zügen genossen. Wir hatten immer ganz spontan nach der Landkarte, die ausgebreitet vor uns lag, entschieden, was wir uns als Nächstes ansehen wollten. In diesen Jahren hatte ich sogar meinen Frieden mit Moms Tod gefunden. Ich kam mir angesichts dieser großen weiten Welt so winzig vor, und dieses Gefühl ermöglichte es mir, ihren Tod mit einem Mal aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten. Jahrelang war ich böse auf meine Mutter gewesen, weil sie mich viel zu früh verlassen hatte. Doch auf unseren Reisen konnte ich endlich um ihren Verlust trauern und verstehen, dass ihr die Zukunft geraubt worden war und dass sie keine andere Wahl hatte, als ihre Töchter allein ihrem Schicksal zu überlassen.
    »Es tut mir leid, dass ich dauernd an dir herumnörgle«, entschuldigte ich mich. Ich schlang meine Arme um Tim und lehnte meinen Kopf an seine Brust. Schloss meine Augen. Atmete durch. Tränen strömten über meine Wangen.
    Tim erwiderte meine Umarmung, löste dann aber meine Arme und nahm sich einen Kaffeebecher aus dem Regal. »Wenn du heute nicht irgendwann mal vorbeikommst, werden wir uns erst spät in der Nacht sehen können.« Er täuschte tiefe Betroffenheit vor und schob seine Unterlippe schmollend nach vorn.
    »An einem Mittwoch? Weshalb kann Philipp nicht als Letzter gehen?«
    »Weil heute Abend ganz besondere Gäste kommen. Ich will bis zum Schluss da sein, nur für den Fall der Fälle.«
    »Ich bin mir sicher, dass Philipp das ganz locker alleine schafft.«
    »Ja, ich mir eigentlich auch, aber ich bleibe trotzdem lieber da. Wenn du mich brauchst, ruf an. Oder besser, komm vorbei und hilf mit.«
    »Eher nicht.«
    In dieser Phase meines Lebens tat ich mir eigentlich nur selbst leid. Doch ganz tief unter diesem ganzen Selbstmitleid vergraben gab es Schuldgefühle, die an mir nagten, weil ich mich vor meinen Pflichten im Restaurant drückte, weil ich als Mitinhaberin den Kopf in den Sand steckte.
    »Es tut mir ja so leid, dass ich dir keine größere Hilfe bin«, meinte ich noch zu Tim.
    »Ist schon okay«, erwiderte Tim. »Übrigens, ich habe mir mal deinen Entwurf für die neue Speisekarte angesehen. Gefällt mir sehr gut!«
    »Danke.« Ich war stundenlang im Internet unterwegs gewesen und hatte mir die Speisekarten von Restaurants in Italien und Frankreich angesehen, um mich inspirieren zu lassen.
    »Wenn du wieder arbeitest, wirst du mir noch viel mehr helfen können«, sagte Tim.
    »Ja, klar.«
    Wenn du wieder arbeitest. Bei diesen Worten hatte ich das Gefühl, als würde sich ein weiterer Schwall Säure in meinen bereits angeschlagenen Magen ergießen. Noch mehr Beweise, dass es für mich kein Baby geben würde. Tim fing niemals einen Streit an, aber wenn er mal ins Fettnäpfchen trat, war es kein Fettnäpfchen mehr, sondern eine ganze Fritteuse. Ungewollt schien er ja ganz genau zu wissen, wie er mich am meisten verletzen konnte.
    »Was haben Claire und Maura heute vor?«, wollte Tim wissen. »Vielleicht kannst du ja was mit ihnen zusammen machen?«
    »Mir geht’s gut«, sagte ich zu Tim. »Vielleicht gehe ich ja ein wenig raus und buddle im Garten herum.«
    Tim lächelte, nein, eigentlich war es ein zynisches Grinsen. Nicht einmal er kaufte mir diesen Scheiß ab.
    »Kann ich irgendetwas für dich tun?«, wollte er dann wissen, zuckte die Schultern und hielt die Hände mit den Handflächen nach oben.
    »Nein, kannst du nicht«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. »Mir geht es gut.« Ich stand auf, küsste Tim auf die Wange und tauchte meine Hände in das warme Seifenwasser. Tim stellte sich hinter mich, schlang seine Arme um meine Taille und küsste meinen Nacken. Ich schloss meine Augen und hörte ihn schon im Geiste sagen: »Keine Angst, nächsten Monat klappt es bestimmt«, aber stattdessen meinte er: »Schau dir mal die Unterlagen für die Adoption an, okay?«
    Sobald sich Tim auf den Weg ins Restaurant
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