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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit
Autoren: Jennifer Handford
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Eltern es gut gemeint hätten und mit ihm um die halbe Welt geflogen wären, und dass er eine Schwäche für rotes Fleisch und Rotwein hätte. Ich lächelte zurück, senkte den Blick und wurde knallrot. Da waren wir also, zwei Seelenverwandte aus Virginia, die sich rein zufällig eine halbe Ewigkeit von ihrer Heimat weg über den Weg gelaufen waren.
    Noch bevor der Sommer richtig da war, verbrachten Tim und ich jede freie Minute miteinander. Wir erkundeten die Stadt, liefen über die gepflasterten Straßen der Altstadt, probierten eine Konditorei nach der anderen aus und schlugen uns die Bäuche mit Brioche und Zitronentarte voll. Wir sahen uns Weingüter an, schlenderten durch Olivenhaine, spazierten über die Wochenmärkte; selbst Kunstgalerien, Kirchen und Antiquitätenläden standen auf unserem Programm. Als es dann endlich Sommer wurde, dehnten wir unsere Ausflüge aus, fuhren mit dem Zug oder Bus durch die uns unbekannte Gegend, lernten uns besser und besser kennen, ließen uns auf unbekannte Abenteuer ein, aßen die leckersten Gerichte und mischten uns unter die Franzosen.
    Unsere erste Urlaubswoche verbrachten wir in Paris. Wir verhielten uns wie alle Touristen, besuchten den Louvre, zündeten Kerzen in der Notre-Dame an und spazierten Hand in Hand am Ufer der Seine entlang. Wir rauchten französische Zigaretten, ließen uns knuspriges Baguette, cremigen Camembert und fruchtigen Beaujolais schmecken. Wir checkten aus unserem Hotel aus, das wir ursprünglich gebucht hatten, und entschieden uns stattdessen für eine idyllische kleine Pension mit nur zwei Stockwerken und schmiedeeisernen Balkongeländern inmitten des Rotlichtbezirks Pigalle. Prostituierte boten gleich um die Ecke ihre Dienste an, in der Straße schien es nichts anderes als Sexshops und einschlägige Lokale zu geben. Unsere Gefühle waren sehr widersprüchlich: Einerseits empfanden wir so etwas wie Abscheu, andererseits genossen wir die zwanglose, fast schon heitere Atmosphäre, dann wiederum war uns das ganze Spektakel peinlich.
    An unserem letzten Abend in Paris lagen Tim und ich auf dem kühlen Rasen vor dem Eiffelturm, sahen in den Himmel, nickten ab und zu ein, wachten auf, küssten uns und schmusten ein wenig. Nachdem die Sonne untergegangen war, erleuchteteein gigantisches Feuerwerk den Nachthimmel vor der Kulisse des berühmten Bauwerks, da die Franzosen ihren Nationalfeiertag feierten.
    »Ich glaube, ich liebe dich«, meinte Tim zögerlich.
    »Na endlich«, rief ich. »Ich dachte schon, du würdest das nie sagen. Ich liebe dich nämlich wie verrückt.«

KAPITEL 2
    In letzter Zeit hatte ich es mir angewöhnt, am Hause meines Vaters vorbeizufahren – den ich in sieben Jahren nicht einmal besucht hatte. Er wohnte in Arlington, nur ein paar Blocks und Tausende von Erinnerungen von dem Haus entfernt, in dem ich groß geworden bin. Ein paar Blocks weg von meinem Zuhause, in dem ich vor einer gefühlten Ewigkeit Mutter und Vater hatte. Jetzt wohnte Larry also in einem Bungalow in einer Allee, die um einen Park herumführt, der immerhin so groß ist, dass es dort einen Spielplatz, einen Wanderweg und hin und wieder eine Parkbank gibt. Der perfekte Park für Enkelkinder, wenn meine Mutter noch am Leben und mein Vater ein anderer Mensch wäre.
    Heute stellte ich mein Auto auf der anderen Straßenseite ab, näher wollte ich ihm nicht kommen. Auf der großen Terrasse standen Adirondack-Stühle, und es gab sogar eine Hängematte. Sein Garten war gut gepflegt, er hatte Stauden und ein Beet mit vielen bunten einjährigen Blumen gepflanzt. Das alles roch verdammt nach Arbeit, was ich einem Mann wie ihm, der bekannt dafür war, vor lebenden Dingen Reißaus zu nehmen, nicht zugetraut hätte. Im Carport stand kein Auto. Bei meinem letzten »Besuch« fuhr er noch seinen alten Buick LeSabre, den er bereits hatte, als Mom noch am Leben war. Mit demselben Auto hatten wir Familienausflüge unternommen. Claire und ich hatten auf dem Rücksitz gesessen, Karten gespielt und im Eifer des Gefechts alles um uns herum vergessen. Mit demselben Auto war er damals weggefahren und hatte seine Familie im Stich gelassen.
    Als Mom gestorben war, wollte Claire, dass wir weiter in dem Haus wohnten, in dem wir aufgewachsen waren. In ihren Augenwar das die beste Lösung, zumindest bis ich die Highschool abgeschlossen hätte. Mit meinen 14 Jahren ging ich ja erst in die neunte Klasse. Claire hatte ihren Abschluss ein paar Jahre zuvor schon gemacht und besuchte das Community
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