Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesspur

Todesspur

Titel: Todesspur
Autoren: Susanne Mischke
Vom Netzwerk:
von seinem Wohnort am Deister in die Landeshauptstadt befördert, Jule erkennt das sirrende Geräusch, das die Bahn beim Anfahren macht. Völxen antwortet, er wolle sich den toten Jungen selbst ansehen, man solle unbedingt alles so lassen, wie es ist, er wäre in fünfzehn Minuten da.
    »Soll ich Dr. Bächle anrufen?«, fragt Jule.
    »Danke, das mache ich lieber selbst. Sie wissen ja, manchmal ist er ein wenig konventionell und möchte von mir persönlich gebeten werden. Ist die Spusi schon da?«
    »Die sind schon heftig am Arbeiten.« Sie legt auf und überlegt, ob sie auch Fernando herbitten soll. Sie entschließt sich, es sein zu lassen. Wenn Völxen ihn hierhaben möchte, wird er es ihm schon selbst sagen. Sie ist dabei, den Toten wieder zuzudecken, als sie hinter sich das Klicken einer Kamera hört. Es ist keiner von Fiedlers Mitarbeitern, wie sie zunächst vermutet hat, sondern Boris Markstein von der BILD -Hannover. Jule hat Mühe, ihre Verblüffung zu verbergen. Marksteins bisher schulterlanges, stets fettig wirkendes, mausbraunes Haar ist ratzekahl geschoren, eine schwarze Balkenbrille teilt das Wieselgesicht. Im ersten Moment hat Jule den Reporter tatsächlich nur an seinem langen, tief geschlitzten Trenchcoat erkannt, der zu seinem Markenzeichen geworden ist und in dem er wahrscheinlich eines Tages eingesargt werden wird. Auch die obligaten Cowboystiefel sind noch da und sein typisches Haifischgrinsen. »Einen wunderschönen guten Morgen, Frau Kommissarin. Sind Sie heute ganz alleine hier? Wo ist denn der symphatische spanische Kollege?«
    Jule ist wirklich nicht in Stimmung für Marksteins Geschwätz, aber sie beherrscht sich. Erst kürzlich hat der Polizeipräsident angemahnt, man möge sich um ein entspanntes Verhältnis zur örtlichen Presse bemühen, also antwortet sie: »Falls Sie Oberkommissar Rodriguez meinen – er ist deutscher Staatsbürger und schläft aus.« Dein Glück, denkt sie dabei, denn Fernando und den Reporter verbindet eine tiefe, aufrichtige Abneigung. Sobald die beiden aufeinandertreffen, brechen sie in Rüdengekläff aus, und es kam sogar schon zu Handgreiflichkeiten – ausgehend von Fernando, das muss man leider zugeben. Aber Präsident hin oder her, eine Bemerkung zu Marksteins neuer Frisur muss erlaubt sein: »Wette verloren oder Läuse?«
    Markstein schüttelt betrübt den Kopf. »Frau Wedekin, ich bin entsetzt. Damals, als Sie in Völxens Dezernat anfingen, waren Sie noch ein richtig nettes Mädchen, und jetzt sind Sie eine Zynikerin geworden, genau wie Ihre Kollegin, Frau Kristensen.«
    »Das stimmt nicht«, antwortet Jule. »Oda Kristensen hätte Sie gleich gefragt, ob Sie Krebs haben.«
    Das Dauergrinsen weicht mit einem Schlag aus Boris Marksteins Gesicht, er sieht sie kurz erschrocken an, dann senkt er den Blick.
    Jule spürt, wie sie rot anläuft. Verdammt! Womöglich hat er ja wirklich … »Verzeihen Sie. Ich … ich wollte Ihnen nicht zu nahetreten.«
    »Reingefallen! Das kommt davon, wenn man so frech ist.«
    »Markstein, Sie sind wirklich ein … ein …« Allein ihre großbürgerliche Erziehung bewahrt Jule davor, auszusprechen, was sie von Boris Markstein und seinen Scherzen hält.
    »Sie sehen reizend aus, wenn Sie so rot werden«, säuselt der Reporter. »Aber was haben Sie nur immer alle gegen mich? Ich mache meinen Job, Sie machen Ihren, that ’ s it . Wir sollten mal zusammen was trinken gehen, um unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zu vertiefen. Wie wäre es gleich heute Abend in Harry ’ s New York Bar im Sheraton ?«
    Du lieber Himmel, denkt Jule entsetzt, jetzt werde ich schon von Markstein angebaggert! »Wissen Sie, Herr Markstein, in meiner knappen Freizeit gehe ich ausschließlich meiner Lieblingsbeschäftigung nach.«
    »Und die wäre?«
    »Die Vermeidung des Kontaktes mit Ihresgleichen.«
    »Wenn es Ihnen guttut, dann fühle ich mich jetzt gekränkt.«
    Jules bernsteinfarbene Katzenaugen sehen den Journalisten prüfend an. »Sie haben doch nicht etwa vor, das Foto dieses toten Jugendlichen zu drucken, oder?«
    »Nein, ich hänge es mir zu Hause übers Bett. Ich steh auf so was.«
    »Herr Markstein, bitte! Denken Sie doch mal an seine Eltern!«
    »Wer sind denn seine Eltern?«
    »Das wissen wir im Augenblick noch nicht.«
    »Ein Bild in unserem Blatt könnte dabei helfen.«
    Jule gibt ein wütendes Schnauben von sich. Der Reporter streicht über seine neue Glatze und lenkt ein: »Wenn ich wirklich so ein Arschloch wäre, wie Sie denken, dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher