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Todesspiel

Titel: Todesspiel
Autoren: John Sandford
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rannte die letzten dreißig Meter, stolperte, fiel hin, kam wieder auf die Beine, erreichte Rachel, legte die Arme um ihren Hals, schluchzte, und Rachel sah mich über Marvels Schulter an und sagte: »Ich hab’ Ungeziefer am ganzen Körper.« Dann fing sie auch an zu schluchzen, und zwischen den Atemstößen stammelte sie: »Jimmy James … hat mir … hat mir wehgetan, er hat mir … wehgetan.«
    Ich verstand sofort, was sie meinte; Marvel nicht, nicht gleich, und so gurrte sie: »Es wird alles wieder gut, Schätzchen, es wird alles wieder gut. Wir haben dich ja gefunden, alles ist okay … Wo hat er dir wehgetan?«
    Rachel schluchzte weiter, drückte die Handballen gegen die Augen, sah dann Marvel an, schluchzte: »Er … er hat mich gezwungen, es … es mit ihm zu … zu tun. Er … er hat mir schlimm wehgetan.«
    Marvel zuckte zusammen, stieß aus: »O mein Gott…O mein armes Baby …« Sie starrte mich an, war entsetzt. Ich war es auch.
    Der Bolzenschneider durchtrennte die Kette. Marvel war nicht sehr kräftig, aber sie nahm Rachel auf den Arm und trug sie den ganzen Weg zurück. Ich bot meine Hilfe an, aber Rachel schüttelte den Kopf, und Marvel sagte: »Besser nicht.« Ich konnte mir vorstellen, dass Rachel im Moment keinem Mann mehr nahe kommen wollte. Vielleicht eine ganze Weile nicht …

    »Ich hab’ Angst gehabt, der Mistkerl würd’ mir den Laptop wegnehmen«, sagte Rachel über Marvels Schulter hinweg zu mir. Und dann: »Ich hab’ Pipi machen müssen …«
     
    Auf halbem Weg den Hügel hinunter rief ich John an. »Wir haben sie.«
    »Gott sei Dank … Wir sehen uns in Longstreet. Ist alles okay mit Rachel?«
    »Nicht ganz«, antwortete ich. Stille. Er wusste, was ich meinte.
    »Wir sehen uns in Longstreet«, wiederholte er dann.
    »Was ist mit Carp?«
    »Wir sehen uns in Longstreet.«
    Ich fragte nicht noch einmal.

21
    Auf einer niedrigen Anhöhe, oberhalb eines Highways, der sich sanft durch die Landschaft schlängelt – eine Straße, die durch New England führen könnte -, hat Mansard Penders sich ein Zwei-Millionen-Dollar-Haus in modernstem Stil gebaut. Von der Veranda aus blickt man auf leicht wellige Rasenflächen, eine Begrenzungsmauer, den Highway und ein ausgedehntes Waldgelände. Penders besitzt diesen Wald – eine Nadelbaumplantage mit eingestreuten Laubwaldarealen auf einer Fläche von achttausend Hektar – im so genannten Rufus Chamblee Bend , dem Land in der Mississippi-Schleife oberhalb von Mansardville, Louisiana.
    Auf der Rückseite des Hauses erstreckt sich ein verwildert wirkender, im Stil eines englischen Cottage-Gartens gehaltener Blumengarten mit Kiespfaden. Florence Penders, die
Hausherrin, hat ihn angelegt und dabei darauf geachtet, dass alle Farben des Gartens von Monet in Giverny vertreten sind. Während Monets Garten jedoch streng gegliedert war, breitet Flos Garten sich zwanglos aus, steigt an, fällt ab, und im Frühjahr leuchtet er auf, verharrt im Juni und Juli in der erreichten Schönheit und explodiert im Spätsommer wieder zu bunter Farbenpracht: rote, weiße, gelbe Rosen, rosa Stockrosen und Chrysanthemen, flammende Gladiolen, tiefblaue Iris, scharlachroter Mohn, himmelblaue Kornblumen, hellblauer Rittersporn, orangefarbener Hahnenkamm, rote und violette Dahlien …
    Wo auch immer man zwischen den Blumen steht, man blickt hinunter auf den Mississippi, der sich wie eine stahlblaue Schlange dahinwindet. Manchmal, wenn der Wind von dort herüberweht, kann man den Schlamm und den Verwesungsgestank toter Fische riechen, und an stürmischen Tagen sieht man schwere Wetter von Westen heranziehen.
    Im Westflügel des Hauses befindet sich ein großes Arbeitszimmer mit Nussbaumtäfelung und Bücherschränken aus dem gleichen dunklen, ins Graue spielenden Holz. Dieses dunkle Ambiente wird aufgehellt durch Lichtgadenfenster, durch moderne Lampen und durch die hellen, in verschiedenen Farben gehaltenen Schutzumschläge der mehrere tausend Bände umfassenden Büchersammlung.
    Fünf Ölgemälde werden, eingerahmt von Bücherregalen, nebeneinander an einer der Wände hängen, alle zum Thema »Der Fluss«. Mansard Penders zahlt mir dreihundertfünfzigtausend Dollar, dass ich die Bilder für ihn male.
    Bei den Verhandlungen zur Auftragserteilung hatte Manny darauf bestanden, die Schauplätze der Gemälde festlegen zu dürfen, klugerweise jedoch darauf verzichtet, irgendwelchen Einfluss auf die Gestaltung der Bilder in den Details nehmen zu wollen. Nachdem er mir die
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