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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen
Autoren: Arnaldur Indridason
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vergewaltigt worden. Ich glaube, dass da Sperma an der Scheide ist, aber ansonsten gibt es keine Anzeichen von Gewalt da unten.«
    »Da unten«, schnaubte Elínborg.
    »Sie ist ein Junkie«, fuhr der Arzt fort, »und zwar vermutlich schon seit geraumer Zeit. Das kann man deutlich an den Armen sehen, und auch an anderen Stellen des Körpers gibt es Einstiche. Wir werden mit Sicherheit Rückstände von Drogen in ihrem Körper finden, ich nehme an, Heroin. Die Leiche ist noch nicht völlig ausgekühlt, ich vermute deswegen, dass der Tod vor ein bis anderthalb Stunden eingetreten ist. Länger ist es auf keinen Fall her.«
    »Bestimmt ein Mädchen von der Straße«, warf Elínborg ein. »Sie ist mit Sicherheit auf den Strich gegangen.«
    »Gibt es irgendwelche Vermisstenmeldungen über ein Mädchen in ihrem Alter?«, fragte Erlendur.
    »Bei uns liegt nichts vor«, antwortete Elínborg. »Aber wenn es sich um die übliche traurige Geschichte handelt, dann ist sie vor ein paar Jahren von zu Hause abgehauen, stammt entweder aus gutem Hause oder schlechten Verhältnissen, lebt seitdem auf der Straße und hat ihren Körper verkauft. Vielleicht war sie ab und zu in einer dieser Auffangstellen und musste sich dort einer Entziehungskur unterziehen. Dann geht das Ganze wieder von vorne los, sie landete gleich wieder auf der Straße und auf dem Strich, um an Stoff heranzukommen. Wir kennen solche Fälle zur Genüge. Möglicherweise hat sie auch was mit Einbruchsdiebstählen und sonstigen kleineren Delikten zu tun gehabt. Und ihr Kundenkreis bestand bestimmt aus fiesen, alten Kerlen. Ich vermute, dass es bei uns im Computer eine ziemlich große Datei über sie gibt. Sie müsste eigentlich problemlos zu identifizieren sein.«
    Sie standen zu viert zusammen und beobachteten den Arzt, der sich wieder über die Leiche beugte. Außer Erlendur hatte niemand viel Erfahrung mit Mordfällen, doch sie versuchten, sich nichts anmerken zu lassen. Die wenigen Morde, die in Reykjavík geschahen, wurden meist im Alkoholrausch verübt und waren schnell aufgeklärt. Der Unglücksmensch wurde dann verhaftet und ins Gefängnis nach Litla-Hraun geschafft. Ganz selten einmal kam es vor, dass man den Mörder erst nach einigen Tagen fand. Normalerweise stellten sie sich selber oder konnten nach kurzer Ermittlung aufgespürt werden. Gefunden wurden sie immer. Es gab so gut wie keine Morde, die kaltblütig geplant und ausgeführt wurden oder bei denen die Täter versucht hatten, die Spuren zu verwischen.
    Ganz anders verhielt es sich bei Vermisstenfällen, die kamen häufiger vor und konnten nur selten aufgeklärt werden.
    »Islands Ehre und Schild, unser Jón Sigurðsson wird wohl kaum sehr erfreut darüber gewesen sein«, sagte Erlendur, der zu Jón Sigurðssons Grünspanprofil an der Stele aufblickte.
    »Ob das wohl etwas mit ihm zu tun hat?«, fragte Elínborg.
    »Ich bezweifle stark, dass das arme Ding aus purem Zufall hier liegt«, erklärte Erlendur.
    »Vielleicht heißt sie ja tatsächlich Ingibjörg, wie du gesagt hast«, bemerkte Sigurður Óli.
    »Wieso Ingibjörg?«, fragte Þorkell.
    »Jón Sigurðssons Frau hieß Ingibjörg«, antwortete Sigurður Óli herablassend.
    »Hieß die nicht Áslaug?«
    »Áslaug?«, schnappte Erlendur. »Nicht zu fassen! Wie kommst du denn darauf?«
    »Okay, dann hieß sie eben Ingibjörg«, lenkte Þorkell schnell ein.
    »Du liebe Güte«, stöhnte Erlendur.
    »Was ist das da auf ihrem Po?«, fragte Sigurður Óli und bückte sich. »Sie hatte womöglich einen Liebhaber, dessen Name mit J anfing«, beantwortete er selbst seine Frage. »Wo kann man sich eigentlich so eine Tätowierung machen lassen? Es gibt doch bestimmt nicht viele in der Stadt, die so etwas können.«
    »Vielleicht beginnt ihr eigener Name ja mit J«, gab Þorkell zu bedenken.
    »Wenn man sich deinen genialen Schlussfolgerungen anschließt, stammt sie also aus Reykjavík und ist nie aus der Stadt herausgekommen, ganz zu schweigen davon, dass sie jemals im Ausland gewesen sein könnte«, entgegnete Erlendur sarkastisch.
    »Ich wünschte, die Leute würden damit aufhören, sich nachts umzubringen, dann bräuchte ich dich nicht zu wecken, Maske!«, sagte Sigurður Óli und warf Elínborg einen vielsagenden Blick zu.
    »Es liegt eigentlich auf der Hand, dass sie hierhin gebracht worden ist«, sagte Elínborg. »Es gibt keinerlei Anzeichen für einen Kampf, und von ihren Klamotten gibt’s auch keine Spur. Es hat fast den Anschein, als hätte jemand
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