Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie
Autoren: Christopher Pike
Vom Netzwerk:
sich mit den Füßen abstieß und sprang.
    Sie ließ sich so schnell hinunter, daß sie Chad glatt ausstach – innerhalb von nur ein paar Sekunden hatte sie den winzigen Vorsprung erreicht, auf dem er noch vor gar nicht langer Zeit gestanden hatte.
    Sie nahm kaum etwas wahr, während sie sich in einer einzigen fließenden Bewegung hinabließ, aber diese Bewegung kostete sie einiges von der Haut an ihren beiden Handflächen. Sharon hatte Glück, daß das alles war, was sie verlor, denn sie hatte keinerlei Erfahrung im Klettern!
    Jetzt beugte sie den Kopf zurück und blickte nach oben. Das Brennen in ihren Handflächen war fast unerträglich. Chad starrte aus einer Höhe von fünfzehn Metern auf sie herab, und in dem diffusen Licht wirkte er riesig groß. Er trat mit dem Fuß gegen das Seil, um Sharon aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie schrie leise auf, ließ das Seil los und drückte sich mit dem Rücken so nah wie möglich gegen die Felswand. Dann breitete sie die Arme aus und versuchte, nicht nach unten zu blicken. Unter ihren Sohlen knirschten kleine Steinchen, denn der Vorsprung war nicht nur klein, sondern auch noch rutschig!
    »Das war dumm«, meinte Chad.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Sharon. »Immerhin bin ich noch am Leben!«
    »Dann muß ich wohl runterkommen, um dich zu kriegen!«
    »Warum wirfst du nicht einfach ein paar Felsen nach mir?« erkundigte sie sich.
    »Weil es hier nicht viele lose Blöcke gibt«, erwiderte er und hockte sich neben die Kante. »Hast du noch mehr Fragen?«
    »Ja; wo kann man hier Fallschirme leihen?«
    »Du bist wirklich tapfer, Sharon. Genau wie Ann!«
    »Ich hoffe nur, daß sie sich gut verteidigt hat!«
    Er nickte ernst. »O ja, sie hat mich sogar beinahe umgebracht!«
    »Wie konntest du sie bloß ermorden, Chad?« fragte Sharon leise.
    »Naja, beim drittenmal hat man eben schon ein bißchen Übung.«
    Sharon drehte sich der Magen um.
    Sie hatte sich noch nie in eine ganze Schlucht übergeben, und beinahe hätte sie auch noch ihren Halt verloren.
    »Was hast du getan?!«
    »Ich habe Anns Mutter erstickt und Jerry hab’ ich auch umgebracht.«
    »Aber warum, um Himmels willen?« rief sie schluchzend.
    »Sie mochten mich nicht.«
    »Jerry war doch dein bester Freund!«
    »Das dachte ich auch. Aber er hat mich verraten – es ist eine längere Geschichte.«
    »Wie hast du Ann dazu gebracht, von dieser Klippe zu springen?«
    »Ich hab’ sie glauben lassen, es sei ihre eigene Idee.« Er hielt einen Moment inne, bevor er hinzufügte: »Das wird bei dir wahrscheinlich nicht funktionieren, nehme ich an.«
    Ich kann nicht einfach hier stehenbleiben und warten, bis er zu mir herunterkommt, dachte Sharon verzweifelt. Ihr Körper verkrampfte sich vor Angst, und sie begann heftig zu zittern, als der Anblick von Anns leeren Augenhöhlen kurz in ihrer Erinnerung aufblitzte. Chad würde sie sicher in denselben Fluß mit denselben Fischen werfen!
    »Es wäre alles bedeutend einfacher, wenn du einfach springen würdest«, meinte Chad.
    Sie schüttelte leise stöhnend den Kopf.
    »Ich bin müde, Sharon!«
    Verdammter Bastard, dachte Sharon erbittert. Seine Bemerkung war so unglaublich arrogant gewesen, daß sie sie in kalte Wut versetzte, und das war das beste, was ihr im Moment passieren konnte. Die Wut verdrängte ihre Angst und das Zittern hörte auf. Sharon schwor sich, Chad einen besseren Kampf zu liefern, als Ann es getan hatte.
    Chad ist derjenige, der heute nacht von den Fischen gefressen wird, dachte sie voller Entschlossenheit. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und begann, ihre unmittelbare Umgebung nach einem losen Stein, einem Zweig oder irgend etwas Ähnlichem abzusuchen, das sich als Waffe verwenden ließ – aber da war nichts.
    Dann untersuchte sie ihre Hosentaschen, aber was sie fand, sah auf den ersten Blick nicht sehr vielversprechend aus: eine Dose Insektenspray und eine kleine Tube Vaseline.
    »Du wirst niemanden davon überzeugen können, daß ich Selbstmord begangen habe«, rief sie, um Zeit zu gewinnen. Insektenspray in den Augen wirkte sicher gut, und wenn sie das Seil mit Vaseline einschmierte, würde Chad der Abstieg jedenfalls nicht zu leicht werden!
    »Ich glaube nicht, daß es Probleme gibt«, antwortete er jetzt. »Die Polizisten haben gesehen, wie aufgelöst du warst, nachdem du Anns Leiche gefunden hattest; ich brauche ihnen nur noch zu erzählen, daß du durchgedreht hast und gesprungen bist.«
    Sie streckte eine Hand aus. »Und wie willst du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher