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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
Autoren: Elias Palm
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kontrolliert, wann der Lebensversicherungsvertrag unterzeichnet worden war. Vier Tage vor dem Brand.
    »Ja, das war schon etwas merkwürdig«, hatte er festgestellt.
    Ella schien darüber nicht weiter erstaunt zu sein. Sie bedankte sich bei ihm, küsste ihn auf die Stirn und ging zur Haustür. Trotz Ellas offenkundig unschuldigen Fragen hatte Sebastian begriffen, dass sie mehr wusste, als sie zu erkennen gab – das war offensichtlich. Somit blieb ihm lediglich, seinen Auftraggeber zu warnen.
    Gegen vierzehn Uhr parkte Ella ihren Wagen vor Gretes Haus. Sie hätte zu Fuß nicht länger als drei Minuten von zu Hause aus gebraucht, doch sie benötigte ihr Auto für ihre anderen Erledigungen. Der Portier kam ihr bereits auf dem Bürgersteig entgegen. Er war um die sechzig Jahre alt, aber sein Haar war immer noch schwarz wie Schuhcreme. Soweit Ella sich erinnern konnte, hatte er schon immer so ausgesehen. Gepflegt und immer korrekt. Zur Sicherheit hatte sie ihn angerufen, als sie Cronas Haus verlassen hatte, um sich zu vergewissern, dass Judit ihn wegen ihres Besuchs vorgewarnt hatte. Ihre Mutter hatte ihr versichert, dass man sie hineinlassen würde. Zunächst war es nur der Morgenmantel gewesen, doch inzwischen hatte Grete auf kleinen handgeschriebenen Zetteln eine ganze Liste von Habseligkeiten aus ihrer Wohnung angefordert. Es war natürlich nicht so, dass Ella selbst die Schals oder einen Morgenmantel auswählen sollte. Nein, die Dame hatte genau aufgeschrieben, welcher Bademantel und welche Schals ihr Zimmer im Krankenhaus schmücken sollten. Bestimmt hatte sie sie ausgewählt, um auf bestmögliche Art und Weise das Krankenhausgefühl zu überdecken und zugleich ihren Wohlstand hervorzuheben. Außer der Kleidung verlangte sie noch nach einem Plaid und einer Vase. Natürlich war sie mit den rostfreien Vasen im Krankenhaus nicht zufrieden.
    Ella war davon ausgegangen, dass der Portier ihr die Schlüssel zur Wohnung geben würde, doch die Regeln im Wohnhaus schienen andere zu sein. Der Portier begleitete Ella stattdessen im Aufzug nach oben und öffnete die Tür zu Gretes Wohnung. Ella blickte ihn erstaunt an, als er sie in die Wohnung führte, als wäre es seine eigene. Er stellte sich in den Flur, warf einen Blick auf die Uhr und schaute sie ungeduldig an. Sichtlich irritiert ging Ella mit entschlossenen Schritten an Gretes Speisezimmer vorbei in Richtung Schlafzimmer und Kleiderkammer.
    »Die Schuhe!«
    Die barsche Stimme des Portiers ließ Ella zusammenzucken. Sie drehte sich um und schielte auf ihre schwarzen hochhackigen Stiefel hinunter. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Während ihrer gesamten Kindheit hatte sie sich in genau dieser Wohnung am meisten ausgesetzt gefühlt. Unterdrückt und lächerlich gemacht. Und selbst jetzt, wo Grete gar nicht anwesend war, befiel sie dieses Gefühl. Das Gefühl, etwas falsch zu machen, nicht in die Gesellschaft zu passen, den Ansprüchen nicht zu genügen. Beim letzten Mal, als sie in der Wohnung gewesen war, hatte es sich zum ersten Mal anders angefühlt. Da war sie diejenige gewesen, die die Kontrolle übernommen hatte, und nicht Grete.
    Ella holte tief Luft und begegnete dem Blick des Portiers. Er war hochrot im Gesicht. Für den Bruchteil einer Sekunde erwog sie ihre Alternativen, stellte jedoch rasch fest, dass sie es sich nicht gefallen lassen konnte, in Gretes Wohnung von ihm zurechtgewiesen zu werden.
    »Platz!«, rief sie und hob warnend den Zeigefinger in seine Richtung.
    Das war das einzige Wort, das ihr im Augenblick einfiel. Ihr Kommando erzielte den gewünschten Effekt, denn er stand wie versteinert da, während sie auf dem Absatz kehrtmachte und resolut weiter in die Wohnung hineinging. Sie hielt es für das Beste, sich nicht umzudrehen und eine eventuell verzögerte Reaktion abzuwarten.
    Die Wohnung war hell, und die Frühlingssonne schien weit in die Fenster hinein, wo sie Lichtsäulen bildete, die sich im Parkett spiegelten. Ella konnte sich nicht daran erinnern, jemals allein dort gewesen zu sein. Gretes Badezimmer war geschmackvoll renoviert und mit allen Hilfsmitteln ausgestattet, die eine ältere Dame benötigte. Natürlich gab es in der Wohnung noch ein weiteres Bad, sodass die Gäste Gretes zusätzliche Handgriffe an Toilette und Badewanne nicht zu Gesicht bekamen. Der Morgenmantel hing an einem Haken, genau wie Judit es gesagt hatte. Ella ging weiter und holte die anderen Sachen von Gretes Wunschliste. Die Kristallvase, der
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