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Todeslauf: Thriller (German Edition)

Todeslauf: Thriller (German Edition)

Titel: Todeslauf: Thriller (German Edition)
Autoren: Jeff Abbott
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Lieferwagen vorbeizuzwängen. Die Reifen rauchten, dann brauste er geradeaus weiter. Ich spurtete die Straße hinunter, und als ich zur Kreuzung kam, war der Wagen fort. Der Fahrer mit der Narbe hatte eine freie Seitenstraße gefunden.
    Mit zitternden Händen wählte ich die Nummer, von der sie mich angerufen hatte. Niemand meldete sich.
    Lucy war weg. Mein Büro war weg. Alles war weg. Ich war zu keinem klaren Gedanken fähig, doch meine Ausbildung gab mir vor, was ich zu tun hatte. Meine Finger wählten eine Notrufnummer in Langley. Ich sagte etwas, ich weiß nicht mehr, was.
    Helft mir, brachte ich noch hervor.
    Sie war fort, alles war fort. Mitten in London stieg Rauch auf wie von einem Scheiterhaufen, in dem ein Mensch gestorben war. Sirenen begannen zu heulen, Hunderte Menschen strömten an mir vorbei, und ich mittendrin, allein.

4
    Ich saß bereits über eine Woche in der kalten feuchten Gefängniszelle, als ein Mann hereinkam, den ich noch nicht gesehen hatte. Eine frische Kraft, die versuchen sollte, meinen Widerstand zu brechen. Gut. Der letzte Typ hatte mich sowieso schon gelangweilt.
    »Mein Name ist Howell. Ich möchte Sie etwas fragen, Mr. Capra. Sind Sie ein Verräter oder ein Narr?«
    »Die Frage ist alt – und ich hab sie längst beantwortet«, murmelte ich mit ausgetrocknetem Mund.
    »Ich brauche eine Erklärung, Mr. Capra.« Der neue Verhörspezialist lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er schlug die Beine übereinander, nicht ohne kurz an seiner perfekt gebügelten Hose zu ziehen, damit sie keine Knitterfalte bekam. Die kleine Geste war mir zutiefst zuwider; sie zeigte mir, wer in dem Raum die alleinige Macht besaß.
    Ich hatte seit drei Tagen kaum geschlafen. Ich stank nach Schweiß. Wenn innere Qualen einen Geruch haben, dann roch ich genau so. Der neue Verhörspezialist war um die vierzig, Afroamerikaner, mit grau meliertem Spitzbart und einer modischen Brille mit Edelstahlfassung. Ich sagte ihm, was ich schon Vernehmer Nummer eins und Vernehmer Nummer zwei gesagt hatte – nämlich die Wahrheit.
    »Ich bin kein Verräter. Und ich glaube auch nicht, dass meine Frau eine Verräterin ist.«
    Howell nahm seine Brille ab. Er erinnerte mich an einen meiner Geschichtsprofessoren in Harvard. Der Mann strahlte eine unerschütterliche Ruhe aus.
    »Ich denke, ich glaube Ihnen.«
    War das nur ein Trick? »Das tut sonst keiner.«
    Howell hob den Brillenbügel an die Lippen und studierte mich eine ganze Weile. Ich mochte die Stille, es war angenehm, wenn mich zur Abwechslung einmal keiner anschrie oder des Verrats beschuldigte. Er öffnete eine Akte und begann wieder mit der alten Litanei, so als würde das irgendetwas an meinen früheren Antworten ändern. Er würde mir die ewig gleichen Fragen stellen, um mich zu ermüden und auf einen Fehler von mir zu warten.
    »Ihr voller Name lautet Samuel Clemens Capra.«
    »Ja.«
    Er hob eine Augenbraue. »Samuel Clemens war Mark Twain.«
    »Er ist der Lieblingsschriftsteller meines Vaters, und meine Mutter lehnte Huckleberry und Tom Sawyer als Alternativen ab.« Normalerweise brachte mich die Geschichte zum Lachen, aber seit einer Woche war nichts mehr normal.
    »Ich will meinen Vater anrufen, bevor ich Ihre Fragen beantworte«, sagte ich. Das hatte ich in den vergangenen Tagen noch nie verlangt. Was sollte ich ihm sagen? Ich wollte einfach die warme, etwas heisere Raucherstimme meines Dads hören. Und ich wollte meine Frau finden. Ich musste aus diesem grauenhaften dunklen Raum herauskommen, der keine Fenster hatte. Es war dumm, den Wunsch zu äußern. Aber mir war danach, mich zu wehren, nach den endlosen bohrenden Fragen.
    »Ich dachte, Sie stehen nicht gut mit Ihren Eltern.«
    Ich schwieg. Dass die Company alles über mich wusste, war ganz normal.
    »Ihre Eltern wissen nicht einmal, dass Sie und Lucy ein Kind erwarten, oder?«
    »Nein.« Ich schämte mich ein wenig, es zuzugeben. Spannungen innerhalb der Familie sollten privat bleiben.
    »Sie haben drei Jahre nicht mehr mit Ihren Eltern geredet, abgesehen von einem kurzen Telefonanruf zu Weihnachten. Keiner der Anrufe hat länger als zwei Minuten gedauert.«
    »Das ist richtig.«
    »Drei Jahre. Manche meinen, dass Sie genauso lange schon gegen uns arbeiten. Sie haben den Kontakt zu Ihren Eltern abgebrochen, damit sie keinen Verdacht schöpfen wegen Ihrer Aktivitäten und nicht in Ihren Verrat hineingezogen werden.«
    »Gerade wollten Sie mir noch glauben, dass ich kein Verräter bin.«
    »Ich erzähle Ihnen
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