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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott
Autoren: Árni Thórarinsson
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Akureyri, die nach einem Sturz in die Vestari Jökulsá im Koma liegt.
     
    Ásbjörn hat für unsere Niederlassung Räume im Herzen der Stadt angemietet. Die Büros des
Abendblatts
befinden sich in der ersten Etage eines mit rotem Wellblech verkleideten Hauses an der Westseite des Rathausplatzes, wo die Hafnarstræti auf die Brekkugata stößt. Außer den Büros gibt es noch drei Räume: Empfang, Kaffeestube und Toilette. Wie zu erwarten, gibt Ásbjörn weder Geld für die Renovierung aus, noch lässt er die komplette Einrichtung herausreißen, wie es bei einem neuen Vergnügungslokal üblich wäre. Für Ásbjörn ist das
Abendblatt
kein Vergnügungslokal, sondern ein Arbeitsplatz. Deshalb sind wir geradewegs in die alten Räume einer Großhandelsfirma gezogen, in denen die ockergelbe Tapete schon von den Wänden blättert. Ásbjörn und seine Frau wohnen eine Etage höher.
    Auf dem asphaltierten Rathausplatz stehen ein paar kahle Bäume und leere Bänke.
    Die Einzigen, die sich auf den Platz wagen, sind Kinder mit Skateboards, was an einen ähnlichen Platz in Reykjavík erinnert. Unsere Rivalen, der
Morgenbote
und das Landesradio, residieren in einem modernen Gebäude aus Glas und Beton, einer Art Aquarium an der Ecke Kaupvangsstræti und Glerárgata am südlichen Ende des Hafens. Von dort hat man einen phantastischen Blick auf den Fjord und direkten Zugang zur Filiale einer amerikanischen Fastfoodkette im selben Haus. Mein Bürofenster bietet einen Ausblick auf den maroden Giebel des Nachbarhauses.
    In unserer Niederlassung ist es an diesem Samstagabend ruhig und friedlich, zumal die Wochenendausgabe schon längst zugestellt wurde. Trotzdem hockt Ásbjörn in seinem Büro vor dem Computer.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragt er, ohne aufzuschauen, als ich an den Türrahmen klopfe.
    »Jóa hat Fotos gemacht und ich ein ziemlich lahmes Interview mit dem Reiseleiter. So ein Naturbursche, der wohl, genau wie die anderen, psychologische Hilfe nötig gehabt hätte.«
    »Trausti möchte mit dir darüber sprechen«, wirft er trocken ein. »Er hat angerufen und bittet dich um Rückruf.«
    Wenn Ásbjörn schon nicht besonders hoch bei mir im Kurs steht, dann tut es sein Nachfolger noch weniger: Trausti Löve, vor Urzeiten Ásbjörns und mein Kollege, als wir beide zufällig als Sommervertretungen unsere Laufbahnen beim guten alten
Volksanzeiger
starteten, später Fernsehjournalist und Wahl zum erotischsten Mann Islands. Trausti war auch Mitglied der Reisegruppe, als Gunnsa und ich letzten Sommer Urlaub im Süden machten, wo wir – vor allem Gunnsa – in eine prekäre Situation gerieten. Trausti, besser gesagt sein Schwanz, geriet ebenfalls in eine prekäre Situation. Diese Affäre war jedoch vergleichsweise lächerlich, zumindest für einen Außenstehenden.
    Ich höre, wie die Eingangstür geöffnet wird, dann ertönt das schrille Kläffen eines Hundes.
    »Ásbjörn!«, ruft eine energische Frauenstimme. »Ásbjörn Grímsson!«
    Ásbjörn, untersetzt und mit breitem Hinterteil, rappelt sich von seinem Schreibtisch hoch und schaltet den Computer aus. Dann schlüpft er aus seinen grünen Hausschuhen, die er bedauerlicherweise aus dem Reykjavíker Hauptsitz mitgenommen hat, und müht sich mit seinen gefütterten schwarzen Stiefeln ab. Manchmal erinnert mich Ásbjörn an eine überreife Tomate auf Beinen in grünen Hausschuhen.
    Einen Moment lang verspüre ich Mitleid, ja sogar Sympathie.
    Sein Gesicht ist aufgedunsen und abgekämpft, sein schwarzes Haar fettig und verklebt, als er mich anschaut und, nicht unfreundlich, zu mir sagt: »Lass bitte dein Handy eingeschaltet. Ich möchte es vermeiden, mit Trausti zu sprechen. Irgendwann reicht’s mal.«
    Ich nicke und folge ihm in den schmalen Empfangsraum. Dort sitzt Jóa, nippt an ihrem Kaffee und sieht Nachrichten auf Sjón 2, dem Schwestersender des
Abendblatts
. Ásbjörns Frau Karólína drückt sich hinter dem Empfangstresen herum, wo sie uns manchmal zur Hand geht, und blättert in der Sonntagsausgabe des
Morgenboten
. Der Schoßhund des Ehepaars, eine weiße, kurzgeschorene Töle mit hochtoupiertem Kopfhaar, ist am Bein eines niedrigen Tisches in der Sitzecke festgebunden. Er heißt Snúður, Knödel, und wird Snúlli genannt. Im Moment hält er den Mund, wedelt aber sofort mit dem Stummelschwanz, als sein Herrchen auf ihn zustakst.
    »Sieh mal, Snúlli«, sagt Karólína, »da kommt der Papa!«
    Wenn Ásbjörn ebenfalls ein Stummelschwänzchen hätte, würde es jetzt
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