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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott
Autoren: Árni Thórarinsson
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Vergangenheit und das andere die Gegenwart ist. Und dein Job ist es, die Gegenwart abzubilden.«
    »Ich arbeite noch an dem Artikel über die Frau, die in den Fluss gestürzt ist …«
    »Diese Nachricht geht morgen sowieso im ganzen Land über den Äther.«
    »Das Besäufnis in Reyðargerði wahrscheinlich auch. Aber Jóa hat exklusive Fotos von …«
    »Dann erledigst du das eben nebenbei telefonisch …«
    »Ich kann doch auch einfach in Reyðargerði anrufen«, protestiere ich weiter.
    Ich hätte so gern einen geruhsamen Sonntag gehabt: durch die »Stadt des Wohlstands und Glücks, die Bildungs-, Kultur- und Blumenstadt« streifen, wie der Dichter Davíð Stefánsson es ausdrückte, Hafenluft schnuppern, den spiegelglatten Fjord betrachten, durch die Fußgängerzone in der Hafnarstræti schlendern, den Botanischen Garten und das Gymnasium besichtigen, die alten dänischen Holzhäuser bewundern, sich über die neuen Betonbauten aufregen, im Kulturzentrum Kaffee trinken, mit Jóa die Messe in der Kirche von Akureyri besuchen, deren zwei Türme sich am Ende der Himmelstreppe auf der Anhöhe über der Innenstadt erheben.
    Oder irgendwas anderes. Das klang vielleicht zu romantisch. Aber zumindest etwas anderes, als diese ganze verdammte Strecke zu fahren. Vielleicht einfach nur den kürzesten Weg zwischen der Wohnung und dem Büro ausfindig machen.
    »Ich wusste ja, dass du schwierig bist, aber dieses Genörgel höre ich mir nicht länger an. Du fährst mit Jóa ins Ostland, und ihr schickt gegen Abend einen bebilderten Artikel mit Interviews und einem Stimmungsbild aus dem Ort für die Montagsausgabe. So was bekommst du nicht am Telefon.«
    Ich weiß, dass er recht hat. »Okay, wenn du mich so nett bittest«, sage ich, »aber ich kann den Artikel erst am Montag früh schicken. Schon allein die Fahrt dauert hin und zurück acht oder neun Stunden.«
    Der Ressortleiter lacht. »Mein lieber Freund, wir sind ein hochtechnisiertes, modernes Medium. Du nimmst deinen Laptop mit, schreibst den Artikel vor Ort und mailst ihn zusammen mit den Fotos. Dann kannst du immer noch zurück nach Akureyri fahren.«
    Der verdammte Sklaventreiber hat schon wieder recht. Ebenso wie mit der modernen Technik habe ich Schwierigkeiten, mir die neue Erscheinungszeit der Zeitung zu merken, die von elf auf neun Uhr morgens vorgezogen wurde. »Wie in unseren Nachbarländern« lautete Hannes’ Argument. Diese Phrase ist bei allen beliebt, die irgendwelchen neumodischen Schnickschnack rechtfertigen wollen. Für das
Abendblatt
bedeutet es, dass die Seiten abends abgesegnet werden und nur in absoluten Ausnahmefällen die Möglichkeit besteht, ganz frühmorgens noch einen Aufmacher einzureichen. Es bedeutet auch, dass der Name
Abendblatt
im Grunde purer Hohn ist. Diese Diskussion habe ich jedenfalls verloren.
    »Na gut, dann musst du mir aber versprechen, dass ich nach dem Wochenende genug Zeit bekomme, um den Artikel über die Schulaufführung von
Loftur, der Magier
in Hólar zu schreiben. Am Gründonnerstag ist Premiere.«
    »Hahahahaha! Der war gut!«, brüllt Trausti Löve vor Lachen, und der ganze Speisesaal stimmt mit ein. »Schulaufführung von Loftur-blablabla! Aber selbstverständlich bekommst du genug Zeit für einen Artikel über diese großartige Neuigkeit. Keine Frage! Wo kämen wir denn sonst hin? Hahahahaha!«
    Ich lasse mich nicht von ihm irritieren. »Und dann brauche ich auch noch Zeit für Recherchen über den wachsenden Drogenmarkt hier im Nordland. Davon hab ich dir ja schon erzählt.«
    Er sagt nichts und hat wahrscheinlich überhaupt nicht zugehört. Ich höre ihn mit irgendeiner Frau herumschäkern, was offenbar seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.
    »Dann ist ja alles paletti, mein Freund«, sagt Trausti gutgelaunt, als er wieder an den Hörer kommt.
    »Ich hab genauso ein Recht auf freie Tage wie andere Leute. Wie du zum Beispiel.«
    »Whatever«, sagt er. »Whatever.«
     
    Nachdem Jóa und ich Pizza bestellt und den kabarettistischen Wochenrückblick im Fernsehen angesehen haben, der mir manchmal realistischer vorkommt als die echten Nachrichten, wünschen wir uns gegen zehn Uhr gute Nacht. Und ich gehe mit meinem Zwergpapagei ins Bett.

[home]
3
    Sonntag
    N icht, dass die Sache mit dem Zwergpapagei falsch verstanden wird.
    Ásbjörn hat dem
Abendblatt
für den Redakteur der Niederlassung in Akureyri eine kostengünstige, möblierte Wohnung besorgt. Sie befindet sich in einem Reihenhaus im Hlíðarviertel
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