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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott
Autoren: Árni Thórarinsson
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Pikiertheit. »Ich weiß überhaupt nicht, was Landleben ist. Nur dass ich eine alte Stadtratte bin, das weiß ich.«
     
    Tief im Inneren weiß ich auch, obwohl ich das Jóa nicht sage, dass mir diese Verbannung vielleicht sogar guttun könnte. Ich habe es auch Hannes nicht gesagt, als er mich von der Maßnahme unterrichtete. Jawohl, unterrichtete. Ich schmollte und meckerte, was wohl ein alter Begriff vom Lande sein muss, ohne eigentlich zu wissen, warum. Daraufhin beugte sich Hannes über seinen zerkratzten, abgenutzten Schreibtisch beim
Abendblatt
, mit einem Zigarrenstumpen zwischen Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand, klopfte die Asche in den Aschenbecher, schaute mich mit seinen unerschütterlichen, hellblauen Augen an, schob sein eckiges Kinn vor und sagte:
    »Mein lieber Einar.«
    Wenn er mich so anspricht, weiß ich, dass mir keine andere Wahl bleibt als die, die Hannes bereits für mich getroffen hat.
    »Mein lieber Einar. Ich möchte, dass du das tust.«
    Damit war es beschlossene Sache. Ich sollte meine alten Jagdgründe – die Polizeinachrichten in der Hauptstadt – verlassen und für eine unbestimmte Zeit in den Norden nach Akureyri ziehen. Dort würden Ásbjörn und ich die Verantwortung übernehmen für die »großangelegte Expansion unserer Zeitung in Nord- und Ostisland in diesen gewaltigen Aufruhr- und Umbruchzeiten«, wie Hannes es in seinem Leitartikel beschrieben hatte. Ich würde für die redaktionelle Seite zuständig sein, Ásbjörn für das Büro und den Aufbau von Vertrieb und Logistik, und Jóa sollte uns in der ersten Zeit als Fotografin zur Seite stehen. Hannes weiß ganz genau, dass Ásbjörn und ich nichts miteinander anfangen können. Ásbjörn ist obrigkeitstreu und unsicher, wenn er couragiert und energisch sein soll, er ist trotzig und starrsinnig, wenn Offenheit und Flexibilität gefragt sind. Außerdem ist er aufbrausend, wenn ihn jemand kritisiert. Eine hoffnungslose Kombination.
    »Das Dream-Team?«, sagte Hannes. »Ja, stimmt. Aber Ásbjörn ist im Ostland geboren und aufgewachsen, in Akureyri zur Schule gegangen, kennt sich in dieser Gegend gut aus. Und du bist unser bester Nachrichtenmann …«
    Verdammter Mist.
    »… und derjenige, dem ich eine wirkliche Expansion am ehesten zutraue. Du hast ja wohl auch deinen, tja, wie soll ich sagen, Lebensstil geändert, mein Bester?«
    Heiliger Strohsack.
    »Viel Arbeit und wichtige Aufgaben sind nur förderlich für deinen inneren Kampf. Auf diese Weise habe ich meine eigenen Probleme auch in den Griff gekriegt, irgendwann im letzten Jahrhundert.«
    Auf Neuisländisch: Fucking shit.
    »Hermann und ich sind uns darüber einig.«
    Oh, mein Gott, dachte ich beim Namen des neuen Geschäftsführers und stellvertretenden Herausgebers des
Abendblatts
. Hannes hatte in einem genialen Schachzug den Zusammenschluss der Zeitung mit der Isländischen Mediengesellschaft, dem Großkonzern des Finanzhais Ölver Margrétarson Steinsson, zum neugetauften Isländischen Medienbündnis vorangetrieben. Hermann Guðfinnsson ist ein allseits geschätzter, gutsituierter Volkswirtschaftler, der vor zwanzig Jahren wegen Mordes an seiner Ehefrau verurteilt wurde und zum erleuchteten Arbeiter im Weingarten Gottes mutiert ist – wovon ich an anderer Stelle bereits berichtet habe. Ich frage mich, welchem Gott Hermann nicht in seinen Worten, sondern in seinen Taten folgt. Aber das ist wohl nicht meine Angelegenheit.
    Hannes redete weiter und paffte dabei seine Zigarre: »Wir können unter keinen Umständen gerade jetzt, wo es überall im Gebälk knirscht – nicht zuletzt im Massenmedienbereich –, Rücksicht auf die alten persönlichen Differenzen zwischen dir und Ásbjörn nehmen. Wir müssen kämpfen, und bei diesem Kampf müssen alle, und damit meine ich alle, zusammenhalten. Wer das nicht tut, kann gleich gehen. Ásbjörn war, wie du selbst am besten weißt, kein guter Ressortleiter; in dieser Position war er überhaupt nicht mein Fall. Jetzt hat er den Job nicht mehr …«
    »Ich bin nicht der Meinung, dass jetzt ein Besserer an seiner Stelle sitzt«, fiel ich ihm ins Wort.
    Hannes’ Gesicht verdunkelte sich. »Dir ist dieser Job schließlich angeboten worden, und du wolltest ihn nicht.«
    Die schlauste Entscheidung, die ich je getroffen habe, dachte ich.
    Hannes überspielte meinen Einwand einfach. »Ich glaube, dass Ásbjörns Stärken, seine Gewissenhaftigkeit und sein Organisationstalent, bei dieser wichtigen Aufgabe sehr nützlich
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