Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
unzertrennlich, vom ersten Tag an. Schon eine
Woche, nachdem sie sich kennengelernt hatten, wollten sie zusammenziehen. Das
muss man sich mal vorstellen. Aber sie waren sich ganz sicher. Daniel ist
damals von hier ausgezogen. Seine erste eigene Wohnung. Es war ein wichtiger
und sehr schöner, aber natürlich für mich auch ein trauriger Moment. Ich habe
mich so sehr für ihn gefreut, auch wenn er nicht mehr bei mir wohnte. Gregor
war ein so guter Junge. Er war das Beste, was Daniel passieren konnte. Die
beiden waren wie füreinander geschaffen. Wer von uns hat schon das Glück, einen
solchen Menschen zu treffen?«
    Â»Was ist passiert?«, fragte Wolfgang.
    Â»Gregor ist gestorben. Zwei Jahre, nachdem sie sich
kennengelernt hatten.« Wieder dieses traurige Lächeln. »Jetzt sind sie wohl
wieder zusammen. Das hoffe ich wenigstens.«
    Â»An Aids?«, wollte Kathrin wissen.
    Bärbel Neubauer blickte sie erstaunt an. »Nein, er ist
mit dem Fahrrad verunglückt. Auf der Leipziger Straße hat ihm ein Lkw die
Vorfahrt genommen.«
    Â»Wie lange ist das her?«, fragte Wolfgang.
    Â»Etwas mehr als fünf Jahre.«
    Â»Das muss für Daniel eine schlimme Zeit gewesen sein.«
    Â»Es war für uns alle eine schlimme Zeit. Für Daniel
war es eine Tragödie. Er hatte ja schon einmal alles verloren. Ich hatte damals
große Angst, er würde es nicht überstehen. Doch zu unser aller Überraschung ist
er ganz anders mit dieser Tragödie umgegangen, als wir es zuerst vermutet
hatten. Am Anfang war es furchtbar: Er ist wieder hierhergezogen, hat sich in
sein altes Zimmer eingeschlossen. Hat nichts mehr gegessen und offenbar kaum
noch geschlafen. Keiner durfte zu ihm. Nachts habe ich ihm ein Tablett vor die
Tür gestellt, doch meistens hat er kaum etwas davon angerührt. Ich war kurz
vorm Verzweifeln. Aber dann ist etwas Sonderbares passiert. Er ist aus seinem
Zimmer herausgekommen. Von jetzt auf gleich, ohne Vorwarnung. Und er war wie
ausgewechselt. Als hätte er hinter allem einen Punkt gemacht. Ich habe ihn kaum
wiedererkannt. Er war tatkräftig. Beinahe gut gelaunt. Als Erstes hat er sich
das Zimmer bei Christoph in der WG gesucht. Dann
hat er sich den Job im Kink Klub besorgt. Er hat sein Leben wieder in die Hand
genommen. Nur über Gregor hat er seitdem nie wieder ein Wort verloren.«
    Â»Er hat den Tod seines Freundes verdrängt«, sagte Wolfgang.
»Und dann einfach weitergemacht. Als wäre nichts gewesen.«
    Frau Neubauer schüttelte den Kopf. »Er hat das nicht
verdrängt. Ich glaube, es war etwas anderes. Wenn Sie mich fragen, ist Daniel
zu dem Schluss gelangt, dass er in seinem Leben genug Trauer und Angst erduldet
hatte. Er hat eine Entscheidung getroffen, verstehen Sie? Was er als Kind
erlebt hatte, bevor er zu uns kam, das reichte ja schon aus für zwei Leben. Und
dann auch noch die Sache mit Gregor. Ich glaube, er hat sich ganz einfach
entschieden zu leben. Er wollte frei sein. Und nicht mehr leiden. Er wollte das
Leben genießen. Nichts sollte ihn davon abhalten.«
    Â»Kam Ihnen das nicht etwas herzlos vor?«, fragte Kathrin.
    Frau Neubauer lächelte sanft. »Es ist ihm ja gar nicht
gelungen. Auf seine Art hat er weiter getrauert. Ich würde sogar sagen, dass er
seine Trauer niemals überwunden hat. Sehen Sie, er hat nach dieser Sache nie
wieder einen Mann in sein Leben gelassen. Er ist Gregor immer treu geblieben.«
Sie deutete auf den Fotostreifen. »Auf immer. Daniel hat das sehr wörtlich
genommen.«
    Kathrin runzelte skeptisch die Stirn.
    Â»Daniel hatte aber eine ganze Reihe von Männern. Tut
mir leid, wenn ich das jetzt so sage, aber allein im letzten Jahr waren da –
ich weiß gar nicht wie viele – Männer, mit denen er … nun ja, sexuellen Kontakt
hatte. Er hat eine Menge Liebhaber gehabt.«
    Frau Neubauer lachte. »Sie verstehen das nicht. Diese
Männer haben ihm nichts bedeutet. Er wollte einfach das Leben genießen. In
seinem Herzen hat er Gregor die Treue gehalten. Da war kein Platz für einen
anderen. Niemals. Verwechseln Sie das nicht.«
    Kathrin wusste nicht, was sie davon halten sollte.
    Â»Es gab einen Teil in ihm, der war allein Gregor vorbehalten«,
versuchte Frau Neubauer zu erklären. »Dorthin hätte er niemals einen anderen
gelassen. Er hat keine ernsthafte Beziehung mehr gehabt, glauben Sie mir. Da
bin ich ganz sicher. Ganz egal, wie es Ihnen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher