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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung
Autoren: Klaus Erfmeyer
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im besten Sinne für mich einsetzt. – Und das sind Sie, Herr Knobel! Ich habe nicht die Zeit und nicht die Lust, hier weitere Recherchen anzustellen!«
    Pakulla griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Foto heraus.
    »Das ist Sebastian am letzten Schultag mit seiner Abiturklasse. Sie sehen ihn in der hinteren Reihe ganz links. – Neuere Fotos habe ich nicht. Zuletzt war er in der Oesterholzstraße 16 im Dortmunder Norden gemeldet.«
    Knobel wollte einhaken, aber Pakulla wehrte mit einer Handbewegung ab.
    »Ich weiß, was Sie fragen wollen! – Wir haben seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr zueinander. – Brüder entwickeln sich manchmal unterschiedlich. Sebastian ist Maler, ich bin Unternehmensberater für die Umstrukturierung von Weingütern geworden. Eine Marktlücke, die mich gut ernährt und mir immer weitere Kundschaft aus Rheingau und Pfalz zutreibt. Mehr brauchen Sie, denke ich, am Anfang nicht zu wissen!«
    Pakullas Worte erklärten nichts und verlangten dennoch keine vertiefende Nachfrage. Knobel schwieg.
    Er hatte den Auftrag angenommen. Gregor Pakulla raffte Vollmacht und Mandatsbedingungen zusammen und reichte sie mit den Geldscheinen über den Tisch.
    »Mein Bruder wohnt nicht mehr in der Oesterholzstraße. – Wann und wohin er verzogen ist …?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung! – Zunächst ist es also ein Fall für Ihren Detektiv. – Mit wem arbeiten Sie professionell zusammen?«
    »Sie werden aus dem Internet wissen, dass wir mit keinem speziellen Detektiv zusammenarbeiten«, erwiderte Knobel lakonisch.
    »Gewiss, gewiss, deshalb ja meine Frage.«
    Der Mandant gab sich ungeduldig.
    »Aber natürlich fängt eine professionelle Kanzlei wie Ihre bei einem Auftrag wie meinem nicht damit an, hilflos das Branchenbuch zu wälzen.«
    Pakullas Augen blickten angriffslustig.
    »Natürlich nicht!«, beschwichtigte Knobel, ahnend, dass sein Mandant in diesem Moment nichts anderes als einen Griff zum Branchenbuch erwartet hatte. »Eine Studentin arbeitet in solchen Fällen für uns«, überraschte er und blieb vage.
    »Eine Studentin?«
    Pakulla schwieg einen Augenblick.
    »Eine Jurastudentin?«
    »Nein. Sie studiert Germanistik.«
    »Also kennen Sie sie privat«, folgerte Pakulla.
    »Nun ja – es soll mir egal sein.«
    Er erhob sich.
    »Das einzig Wichtige ist, dass die Sache bald geklärt ist. Ich möchte nicht, dass Sie Zeit vergeuden – und natürlich auch nicht mein Geld!«
    »Sie müssen uns nicht beauftragen«, wandte Knobel ein und gab sich gelangweilt.
    »Ich merke schon: Sie mögen mich nicht!«
    Gregor Pakulla lächelte.
    »Merkwürdigerweise ist es doch immer so, dass man sich für die, die man nicht richtig mag, besonders anstrengt. Man will denen gefallen, die anders sind als man selbst. Die muss man erst noch gewinnen. Es ist ein eigenartiger Ehrgeiz, der einen dann antreibt. Man will diese Menschen nicht, aber irgendwie reizt es, gerade von denen gelobt zu werden. Und natürlich achtet man peinlich genau darauf, gerade ihnen gegenüber keinen Fehler zu machen. Fehler sind immer besonders unangenehm, wenn sie einem Menschen gegenüber passieren, den man nicht mag. So was macht nackt und angreifbar. Ich glaube, Sie sind Perfektionist, Herr Knobel. Sie verzeihen sich Ihre Fehler nicht. Erst recht nicht, wenn der Fehler Sie ausliefert!«
    »Sie überschätzen sich, Herr Pakulla!«
    Sein Mandant deutete eine Verneigung an.
    »Verzeihen Sie, Herr Knobel! Ich bin ein bisschen zu weit gegangen. Aber ich möchte, dass wir uns verstehen, und dass Sie sich wirklich für meinen Fall einsetzen. Sie sind einer der Besten. Ich habe mich erkundigt. Und für den Fall Ihres Erfolges gibt es ein saftiges Extrahonorar. Wir werden noch darüber sprechen. Ich werde mich nicht lumpen lassen, nehmen Sie mich beim Wort! – Tante Esther, ich sagte es bereits, hat viel hinterlassen, und ich will über meinen Anteil verfügen können. Nennen Sie mich raffgierig. Ich gebe zu, ich bin es. Ich spreche nur aus, was die meisten an meiner Stelle denken, aber nicht sagen würden. Ich will das Geld. Und ich möchte nicht immer wieder aus Limburg nach Dortmund anreisen und Sebastian suchen. Ich will schnellstmöglichen Erfolg.«
    Gregor Pakulla sah seinem Anwalt ruhig ins Gesicht.
    »Ich komme aus ärmlichen Verhältnissen, Herr Knobel. Hier in Dortmund haben wir damals in der Missundestraße am Nordmarkt gewohnt. Unsere Eltern hatten nur wenig Geld. Aber sie haben uns beiden das Abitur
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