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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung
Autoren: Klaus Erfmeyer
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seines Bruders Sebastian zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Gericht hatte den von der Hauptbelastungszeugin Kirsten Praetorius behaupteten Tötungsvorsatz nicht nachweisen können. Eine kriminaltechnische Untersuchung ergab, dass der gegen Sebastian ausgeführte tödliche Schlag gegen den Kopf jedenfalls nicht mit dem Messingkerzenständer ausgeführt worden sein konnte, wie es Kirsten behauptete. Stephan Knobel konnte in dem Prozess schlüssig aussagen, dass Kirsten eigene erbrechtliche Interessen verfolgte und ihre Glaubwürdigkeit vollends zerstören.
    Die Verurteilung Gregors beruhte letztlich nur noch darauf, dass er selbst einräumte, seinen Bruder Sebastian mit einem Schlag ins Gesicht so verletzt zu haben, dass er unglücklich stürzte und an den Folgen dieser Verletzung starb. Man kam zu der Erkenntnis, dass Gregor Pakullas Darstellung, wonach sein Bruder Sebastian nach einem Faustschlag Gregors ins Gesicht nach hinten überfiel und mit seinem Kopf auf eine Tischkante in Kirsten Praetorius Wohnung stürzte, glaubhaft war. Art und Umfang der Schädelverletzungen passten zu einem mit einer Marmorplatte belegten Tisch in Kirsten Praetorius’ Wohnzimmer. Das Gericht glaubte Gregor Pakulla, dass der Streit zwischen den Brüdern letztlich von Kirsten Praetorius provoziert worden und die anschließende körperliche Auseinandersetzung zwischen Sebastian und Gregor ein abwechselndes Angreifen und Verteidigen war, ohne dass noch aufgeklärt werden konnte, ob Gregor, als er zum Faustschlag gegen seinen Bruder ausholte, in diesem Moment einen Angriff Sebastians abwehren wollte oder nicht. Die Zweifel wirkten sich zugunsten Gregors aus.
     
    Nachdem Kirsten Praetorius erfuhr, dass wegen des mittlerweile aufgefundenen und eröffneten Testaments von Esther van Beek eine Erbschaft ihres ungeborenen Kindes nicht in Rede stand, wollte sie das Kind zur Adoption freigeben. Knobel belehrte sie dahingehend, dass die Freigabe zur Adoption der Zustimmung seines Mandanten Gregor Pakulla bedürfe. Kirsten Praetorius und Gregor Pakulla kamen überein, dass Gregor mit Zustimmung Kirstens die alleinige Sorge für das Kind erhalten solle. Von einer Freigabe zur Adoption war danach keine Rede mehr.
     
    Kirsten entband den kleinen Jungen im Krankenhaus von Inca. Das Kind lebt heute bei Gregor Pakulla in Limburg.
    Zwischen Kirsten Praetorius und Gregor Pakulla sowie zwischen dem Kind, welches Gregor nach seinem Anwalt auf den Namen Stephan taufte, fand nie wieder ein Treffen statt.
    Marie erbte nach Frau Klingbeils überraschend schnellem Tod wegen einer Krebserkrankung im August desselben Jahres 500.000 Euro.
    Nachdem Frau Klingbeils Testament eröffnet und eine Abschrift desselben in der Kanzlei Dr. Hübenthal & Knobel eingegangen war und Marie ihren Freund Stephan der Form halber mit der Wahrung ihrer Interessen in der Erbsache beauftragt hatte, erschien Hubert Löffke vor der nächsten Sozietätsbesprechung mit der obligatorischen Fleischplatte in Knobels Büro.
    »Hab das Testament bei den Posteingängen gesehen«, eröffnete er. »Ich wage die Vermutung: Bei einer solchen Erbschaft wird es für das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrer Studentin Marie Schwarz schwer werden! Ich sage das mal ganz profan: Zwischen meiner Frau und mir bindet das Geld, aber bei Ihnen könnte es trennen! Ihre hübsche Frau Schwarz ist, soweit ich weiß, doch eher eine intellektuelle Person. Und ich vermute einfach: Auch die Intellektuellen ändern sich unter dem Einfluss des Geldes! Ich will Ihnen nichts Böses, mein lieber Herr Knobel, Sie wissen das! Aber da wird sich in Zukunft was ändern, glauben Sie mir! Jetzt, wo jeder den Eindruck hat, dass Sie sich zu Ihrer Frau Schwarz offen bekennen: Sie ist doch kein Verhältnis mehr! Jetzt ist sie Ihre Liebe. Wie gehen Sie damit um, Herr Knobel? Und ich sage Ihnen: Auf dieser Ebene spielen die ererbten 500.000 Euro eine Rolle. Sie glauben doch nicht, dass Ihre Marie in der Brunnenstraße bleibt? Sie wird nach Höherem greifen, weil ihr das Höhere soeben eröffnet worden ist. Jetzt werden Sie sehen, Herr Knobel, dass die Brunnenstraße schnell zur Dahmsfeldstraße werden kann. Das bücherlesende Mariechen wird jetzt zur Geldmarie. Ich weiß, Sie wollen das nicht hören. Aber Sie wollen es nur deshalb nicht hören, weil Sie Angst haben, dass ich recht habe. Seien Sie ehrlich, Herr Knobel: Wie oft nach Bekanntwerden der Erbschaft haben Sie sich schon gefragt, warum ausgerechnet Marie
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