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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten
Autoren: Ulrike Rylance
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weg, wenn ich nicht die Sirene gehört hätte, würde ich immer noch da drin rumkriechen!« Er funkelte mich wütend an, die Adern an seiner Schläfe schwollen schon wieder gefährlich an. »Nur weil Melanie glaubt, dass sie hier Prinzessin spielen kann   – und ich Idiot lasse mich auch noch von dir überreden, da mitzumachen! Und dann sitzt ihr die ganze Zeit gemütlich hier und quatscht!«
    Er zeigte anklagend mit dem Finger auf David, der jetzt im Gras saß, eine Wasserflasche in der Hand, und irgendwas an seinen Kopf presste. Dr.   Breslow stand neben ihm und Melanie kam gerade auf die beiden zu.
    Ich schloss kurz die Augen. Es gab einfach Leute auf dieser Welt, denen man nicht helfen konnte. Alex gehörte dazu.
    »Halt den Mund«, schnitt ich ihm das Wort ab, als er eine weitere Schimpftirade loslassen wollte. »Du hast dich im Wald verlaufen, du wirst es überleben. Das ist hier schließlich nicht der Amazonas. Aber nur zu deiner Information   – dein Freund David hat eine riesige Beule am Kopf. Vom Psychopathen Rico Günther, alias Leon von gestern Abend. Der übrigens auch deine Freundin Melanie beinahe ermordethätte. Genau wie die Blonde aus dem Kanal, du erinnerst dich? Die geile Wasserleiche?«
    Alex war dunkelrot angelaufen. »Was?«, stotterte er. »Alias was? Was erzählst du da?«
    Ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Und ich konnte dir leider auch nicht helfen, lieber Alex, da ich alle Hände voll damit zu tun hatte, erstens Melanies Leben zu retten und zweitens mein eigenes. Sonst noch Fragen?«
    Alex schluckte nur stumm.
    »Ach ja, und die Leute hier sind nicht gekommen, um dir einen neuen Kasten Bier zu bringen, die sind von der Polizei. Ich hoffe, du kriegst jetzt keinen Gehirntod.«
    Damit ließ ich ihn stehen.

28.
    Wir saßen auf dem Steg vor unserem Hausboot. Alex, der stumm vor sich hin qualmte, David, der sich immer noch ein Kühlpack an den Kopf hielt und ziemlich blass aussah, Bastian links neben mir, die Beine im Wasser und so nah, dass ich den Stoff seiner Shorts an meinem Bein spüren konnte. Melanie sprach gerade mit der Polizistin. Ich war auch gleich dran. Ich konnte sehen, dass Melanie sich ein paarmal Tränen aus den Augen wischte.
    »Du solltest dich wirklich ins Krankenhaus bringen lassen«, sagte ich zu David. Dr.   Breslow hatte ihm gesagt, dass er seinen Kopf unbedingt röntgen lassen sollte. Außerdem war es wohl wichtig, dass er sich untersuchen ließ, um Anzeige gegen Leon-Rico zu erstatten. Aber David wollte nicht.
    »Geht schon«, brummte er. »Und der Typ kommt eh zurück in den Knast, ob ich ihn nun anzeige oder nicht. Ihr habt doch gehört, was der für ein Kaliber ist.«
    Das hatten wir allerdings. Die Polizeibeamtin hatte ihn sogar erkannt. Er war vor ein paar Monaten aus dem Strafvollzug abgehauen, wo er wegen Körperverletzung, versuchter Entführung und unzähligenanderen Delikten eingesessen hatte. Wie ein Phantom war er sofort untergetaucht, hatte geklaut und mal hier, mal da geschlafen, bis er sich offenbar zuletzt auf dem Hausboot neben uns häuslich eingerichtet hatte. Wahrscheinlich, um endlich das auszuleben, was er sich in einsamen Gefängnismonaten zusammenfantasiert hatte.
    »Warum willst du nicht ins Krankenhaus?«, bohrte ich weiter.
    »Wegen seinem Alten«, sagte Alex plötzlich. »Er ist doch von zu Hause abgehauen.«
    »Echt?« Ich sah David fragend an.
    »Halt die Klappe.« Er warf Alex einen ärgerlichen Blick zu. Der zog erschrocken die Schultern hoch. Seit er als offizieller Loser im Wald das ganze Drama verpasst hatte, war er merklich kleinlauter geworden. Doch dann sprach David plötzlich weiter. »Ich bin rausgeflogen. Hatte nur Stress mit meinem Alten, weil ich doch die Lehre abgebrochen habe. Ich habe meine Eltern schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Hab auch keinen Bedarf. Die wissen gar nicht, wo ich bin, und wenn ich ins Krankenhaus . . .« Er brach ab und biss sich auf die Lippen.
    »Die wissen nicht, wo du bist?«, fragte ich entgeistert. »Und das stört die nicht?«
    Er zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    »Wo hast du denn die ganze Zeit gewohnt?« Und wovon hast du gelebt? fügte ich in Gedanken hinzu.
    »Bei Kumpels. Habe viele Freunde in Berlin. Zuletztwar ich zwei Wochen bei einem Freund von meinem großen Bruder, da kam ja dann auch Izzy dazu.«
    »Izzy?«
    Er senkte verlegen den Kopf. »Ich hab keine Ahnung, wie sie richtig heißt. Izzy hat sie sich genannt.« Seine Stimme zitterte ein bisschen. Das blonde
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