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Tod in Wolfsburg (German Edition)

Tod in Wolfsburg (German Edition)

Titel: Tod in Wolfsburg (German Edition)
Autoren: Manuela Kuck
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hatte.
    »Hatten Sie eine angenehme Fahrt?«, fragte er höflich.
    »Alles bestens – zweieinhalb Stunden, keine Staus.«
    Reinders nickte. »Die A 2 ist ja nicht ohne. Also, ich kann
Ihnen sagen, ich stand da schon Stunden …«
    Johanna winkte ab. Jeder, der häufiger die A 2 benutzte,
hatte schon viele Stunden Lebenszeit im Stau stehend vergeudet, insbesondere
damals – nach der Grenzöffnung. Die Frage nach einem weiteren halbwegs
geistreichen Smalltalkbeitrag erübrigte sich, als die Tür sich nach einmaligem
Klopfen öffnete und eine junge Frau in dunkelblauer Uniform mit einem Tablett
beladen eintrat. Sofort verbreitete sich Kaffeeduft. Reinders stand eilig auf
und ging der Kollegin entgegen.
    »Darf ich vorstellen, Frau Krass – das ist Sofia Beran,
Polizeiobermeisterin. Sie hatte in der Nacht Dienst, als das Mädchen gefunden
wurde. Ich denke, es ist eine gute Idee, wenn Sie gleich mit …«
    »Das ist sogar eine sehr gute Idee.«
    Johanna schätzte die junge Polizistin mit dem aparten Gesicht und
den rotblonden Locken auf Ende zwanzig. Falls sie über die äußere Erscheinung
der BKA -Beamtin verwirrt war, ließ
sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Oder kaum. Ihr Händedruck war erfreulich
fest, und sie hatte keine Mühe, Johanna direkt ins Gesicht zu sehen. Reinders
verteilte die Kaffeetassen, nachdem Sofia Beran sich zu ihnen gesetzt hatte.
Johanna beschloss, ausnahmsweise einmal nicht nach Keksen zu fragen. Der Hering
lag ihr plötzlich ungewöhnlich schwer im Magen. Reinders stellte seine Tasse
laut klappernd ab und sah Johanna fragend an.
    »Wollen wir anfangen?«
    »Nur zu.«
    »Einen groben Überblick dürften Sie sich ja bereits verschafft
haben, aber ich leg einfach mal los.« Reinders angelte sich einen Ordner von
seinem Schreibtisch. »Okay, beginnen wir mit dem Mädchen: Karen Milbert,
fünfzehn Jahre alt, sie besuchte das Gymnasium am Schulzentrum Kreuzheide in
der Nordstadt«, referierte er leise und räusperte sich. »Vor knapp drei
Monaten, Ende August, wurde sie zwischen Wolfsburg und Vorsfelde – die Stadt
ist ein Ortsteil von Wolfsburg und gehört seit der Gebietsreform …
    »… zur Stadt Wolfsburg, ich weiß«, unterbrach Johanna ihn.
    »Ach?«
    »Ich bin in Braunschweig und Wolfsburg aufgewachsen«, erläuterte
Johanna. Und auch in Kreuzheide zur Schule gegangen, fügte sie lautlos hinzu.
    »Oh, das wusste ich nicht. Was für ein Zufall.« Reinders lächelte
erfreut. »Na, dann kennen Sie sich ja bestens hier aus … Also – das Mädchen ist
in der Nähe des Allersees am Mittellandkanal vom ICE -Nachtzug überfahren worden.« Er nickte Beran zu. »Zeig
das mal auf der Karte.«
    Die Polizistin stand auf und trat an die Wandkarte. Johanna erhob
sich ebenfalls, stellte sich neben sie und sah zu, wie Beran der Bahnstrecke
mit dem Finger vom Hauptbahnhof in Richtung Osten folgte. Ein ganzes Stück
verliefen die Gleise direkt am Mittellandkanal entlang, bis dieser kurz vor
Vorsfelde einen Schwenk nach links beschrieb, während die Bahnstrecke
schnurgerade weiter nach Osten führte. An der Stelle, wo der Kanalverlauf sich
zu ändern begann, wurde Berans Finger langsamer und stoppte schließlich.
    »Sehen Sie – hier driften die Gleise und der Kanal auseinander, und
die Fläche dazwischen wird von einem Wäldchen eingenommen. Ungefähr dreihundert
Meter vor Ortsbeginn Vorsfelde-Süd hat das Mädchen auf den Gleisen gelegen. Der ICE hatte bereits ordentlich Fahrt
aufgenommen und konnte nicht mehr abbremsen …«
    Die Strecke am Kanal entlang kannte Johanna wie ihre Westentasche.
Unzählige Male war sie als junges Mädchen die vier, fünf Kilometer von der
Teichbreite in der Nordstadt zu ihrer Großmutter geradelt, die bis vor ihrem
Umzug ins Seniorenheim vor zwei Jahren im Vorsfelder Sudetenweg gewohnt hatte.
Meist am Sonntagmittag, wenn der Großvater seinen Frühschoppen machte. Sie
hatten Kaffee getrunken und Kuchen gegessen, stundenlang geklönt, und ab und zu
hatte eine von ihnen vorsichtig zum Fenster hinausgespäht, ob der Alte schon im
Anmarsch war. Der volltrunkene Großvater war nichts für Johanna. Sie war immer
geflüchtet, bevor sie seinen alkoholgeschwängerten Atem und sein dummes Geschwätz
über sich ergehen lassen musste. Die Abtasterei. Die Flüche und schweinischen
Sprüche. Oma Käthe hatte es nicht leicht gehabt. Johanna hatte mit ihr zusammen
ihre erste Zigarette geraucht … und sich dann später auf dem Heimweg am Kanal
übergeben. Vielleicht war das
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